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Aydan Özoğuz
SPD
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Frage von Christian S. •

Frage an Aydan Özoğuz von Christian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Özoguz,
ich wüsste gerne was Sie und die SPD eigentlich gegen PEGIDA haben?
PEGIDA sagt folgendes:
„die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten“ als Menschenpflicht"
Sind Sie etwa gegen die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen?
PEGIDA fordert weiter:
„eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten“
Wollen Sie etwa alle kriminellen Asylanten hierbehalten, statt sie auszuweisen und so Platz für anständige Asylanten zu schaffen?
PEGIDA fordert:
„Zuwanderung nach dem Vorbild der Schweiz, Australiens, Kanadas oder Südafrikas“
Sind das in Ihren Augen rassistische Länder, oder wieso beschimpfen Sie PEGIDA in den Medien?
PEGIDA ist für „sexuelle Selbstbestimmung“.
Sind Sie etwa gegen sexuelle Selbstbestimmung?
PEGIDA ist gegen:
„das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichten in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte, Sharia-Polizei, Friedensrichter usw.“
Sind Sie etwa dafür das hier die Sharia-Polizei das Sagen hat?
PEGIDA ist für:
„Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie, aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime“
Sind Sie etwa für eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie und gegen hier lebende, sich integrierende Muslime?
Das wüsste ich gerne, denn ich fühle mich alles andere als wohl mit Politikern an der Spitze, die gegen Leute agieren, die gegen genau das protestieren was in Paris vorgefallen ist.
Oh und da abgeordnetenwatsch für diese Forderungen eine Quelle verlangt; hier ist sie: http://de.wikipedia.org/wiki/Patriotische_Europ%C3%A4er_gegen_die_Islamisierung_des_Abendlandes#Forderungen
Sollten die Einträge auf Wikipedia nachdem Sie sie gelesen haben "zufällig" verschwinden; keine Sorge, ich habe sie selbstverständlich kopiert :-)

Mit freundlichen Grüßen
Christian Schwuber

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Lieber Herr Schwuber,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann Ihnen gerne erläutern, was mich an der Pegida-Bewegung stört: Hier werden diffuse Ängste sowie Drohszenarien von Überfremdung, Islamisierung, Asylmissbrauch und wirtschaftlichem Abstieg heraufbeschworen, die bei nüchterner Betrachtung jeder sachlichen Grundlage entbehren. Durch Überspitzung und Pauschalisierung werden Bevölkerungsgruppen wie Muslime oder Asylbewerber unter Generalverdacht gestellt – das ist nichts weiter als menschenfeindliche Diskriminierung, teils auch kultureller bzw. religiöser Rassismus. Damit will ich ausdrücklich NICHT sagen, dass alle Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer rassistisches Gedankengut besitzen. Vielen Protestierenden geht es ja nicht einmal um Muslime oder Flüchtlinge, sondern um ganz andere Themen wie Arbeitslosigkeit, die Maut oder allgemeine Unzufriedenheit mit der Bundespolitik. Es ist schade, dass diese Menschen glauben, erst jetzt unter dem Dach der islamfeindlichen PEGIDA-Bewegung Gehör finden zu können. Was für mich allerdings an PEGIDA rassistisch und menschenfeindlich ist, ist die häufige Pauschalisierung mit der alle Muslime und Flüchtlinge zu Sündenböcken auserkoren werden und das Schüren von Ängsten durch die Organisatoren und Köpfe hinter der Bewegung.

Gerne möchte ich auch kurz auf das sogenannte Positionspapier von Pegida eingehen. Selbstverständlich bedeutet meine Kritik an Pegida nicht, dass ich automatisch das Gegenteil der in diesem Papier aufgeführten Positionen vertrete. Dass die Aufnahme von Flüchtlingen eine Menschenpflicht (ganz nebenbei auch ein Menschenrecht der zu uns kommenden) ist, wurde ja schon viele Jahrzehnte vor Pegida formuliert. Da diese wie andere der insgesamt 19 Forderungen jedoch äußerst schwammig formuliert und nur aus einem Satz bestehend sind, bleibt natürlich viel Spielraum für Interpretation des Ganzen. Was bedeutet „Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Migranten“? Was bedeutet für Pegida die „sexuelle Selbstbestimmung“? Was ist der gemeinsame Nenner der Zuwanderungssysteme von Schweiz, Australien, Kanada und vor allem Südafrika? Es fehlt doch gewaltig an Substanz und klaren Definitionen. Ohne weitergehende Ausführungen ist eine echte Diskussion dieser Forderungen kaum möglich. Mit solch unspezifischen Aussagen können sich sowohl gemäßigte als auch extremistische Positionen des rechten Randes bei entsprechender Interpretation identifizieren – der Verdacht liegt nahe, dass dies bewusst in Kauf genommen wird. Dass einige Aussagen des Papiers sogar im krassen Widerspruch zur geübten Rhetorik der (ursprünglichen) Pegida-Organisatoren stehen, nimmt dem Ganzen zusätzlich den Wert für eine Analyse möglicher Pegida-Positionen. So sprach der Initiator der Bewegung Lutz Bachmann auf einer Demonstration von Heimen, in denen die Asylbewerber „Vollversorgung“ genießen würden. Wenn ich dann im Positionspapier lese, man müsse Flüchtlinge dezentral unterbringen, anstatt in teilweise menschenunwürdigen Heimen, kann ich das nur noch als heuchlerisch bezeichnen. Für mich schwingt bei vielen der 19 Positionen ein pauschaler Subtext mit, der Asylbewerbern Betrugsabsichten oder die Neigung zu Kriminalität unterstellt, der Muslimen vorwirft Anhänger einer gefährlichen, grundsätzlich gewaltbetonten Religion zu sein und der sich für Deutschland deutlich mehr Kontrolle von „Fremden“ durch die Polizei sowie ein restriktiveres Zuwanderungssystem wünscht. Gegen solche Positionen spreche ich mich ganz entschieden aus.

Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoğuz, MdB

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