Frage an Aydan Özoğuz von Lutz L. bezüglich Wirtschaft
Ich bitte um Ihre Meinung zu folgendem Problem:
Die Post wurde privatisiert und es wurde Konkurrenz zugelassen. Allerdings wurde diese Konkurrenz von Anfang an benachteiligt, in dem z.B. nur bestimmte Briefe befördert werden durften, hohe Löhne gesetzlich festgelegt wurden und die Post (nicht aber die privaten) von der Mehrwertsteuer befreit blieb. Auch der Service der Privaten, die Sendungen bei größeren Kunden abzuholen, wurde reglementiert, in dem eine Abholung kombiniert mit einer Zustellung verboten wurde. Diese Aufzählung ist nur beispielhaft. Im Ergebnis konnten weder PIN noch TNT noch die vielen anderen regionalen Zustelldienste diese Benachteiligungen verkraften; sie sind wieder vom Markt verschwunden.
Die Post ist, jetzt privatwirtschaftlich betrieben, dadurch zu einem Monopolisten geworden, der sich genau so verhält, wie es in jedem Lehrbuch steht: Man betreibt eine rücksichtslose Gewinnmaximierung zu Lasten der Kunden und der Mitarbeiter.
Die Anzahl der Filialen und der Briefkästen wurde dramatisch reduziert. Der Turnus der Briefkastenleerungen bei den wenigen verbliebenen Kästen wurde auf ein Minimum reduziert. Die Nachtleerung wurde gleich ganz abgeschafft. Eine einzige Leerung und dann auch noch vormittags soll wohl zum Standard werden.
Das Personal wurde reduziert; Überstunden sind die Regel. Zustellungen fallen, auch mehrere Tage hintereinander, einfach aus.
Und das alles, weil die Politik dafür gesorgt hat, dass es keine Konkurrenz mehr gibt.
Sind Sie mit dieser Entwicklung zufrieden? Falls nein, was gedenken Sie, im Falle Ihrer Wahl, dagegen zu tun?
Sehr geehrter Herr Lambert,
entschuldigen Sie bitte, dass Sie ein paar Tage auf eine Antwort warten mussten - zur Beantwortung Ihrer Frage habe ich noch Rücksprache mit meinen Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion gehalten, die Mitglied im Beirat der Bundesnetzagentur sind.
Grundsätzlich haben Sie Recht: Die Zahl - zumindest der posteigenen - Filialen und der Briefkästen ist zurückgegangen, der Turnus der Briefkastenleerungen wird eingeschränkt und der Druck auf das im Postsektor tätige Personal hat zugenommen. Insbesondere bei den Wettbewerbern der Deutschen Post AG (DPAG) werden zum Teil Löhne weit unter dem von der SPD geforderten allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro bezahlt. Nach der letzten Erhebung der Bundesnetzagentur von 2009, die die Subunternehmer noch nicht einmal erfasst hat, zahlte die Deutsche Post einen Durchschnittslohn von 12,92 Euro, die Wettbewerber aber zahlten nur Löhne von 8,64 Euro. Allein in den Bundesländern Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen lag der durchschnittliche Lohn bei den Wettbewerbern deutlich unter 8 Euro. Mit dieser Entwicklung ist die SPD alles andere als zufrieden.
Allerdings ist dies nicht auf zu wenig Wettbewerb oder Konkurrenz zurückzuführen, sondern im Gegenteil darauf, dass faktisch nach wie vor alleine die Deutsche Post die flächendeckende Versorgung sicherstellt, während die Wettbewerber der Deutschen Post, wie z. B. PIN und TNT, den Wettbewerb im wesentlichen nicht über Qualität und Innovationen führen, sondern dadurch, dass sie sich auf Großaufträge, die Ballungsgebiete und die Bezahlung niedrigerer Löhne beschränken. Tatsächlich findet bei den Privatkunden wenig Wettbewerb statt, so dass bei den Briefdienstleistungen insgesamt die Deutsche Post nach wie vor einen Marktanteil von ca. 90 % hat. Bei dem wettbewerbsrelevanten Markt der Geschäftskundenbriefe beträgt der Anteil der Deutschen Post aber nur mehr ca. 64 %, jener der Wettbewerber bereits 36 %. Übrigens könnten auch die Wettbewerber seit dem 1. Juli 2010 von der Umsatzsteuer befreit sein, wenn und soweit sie wie die Deutsche Post flächendeckende Universaldienstleistungen erbringen würden.
Die SPD wird sich weiter gegen Dumpinglöhne in der Branche einsetzen, gegen einen Wettbewerb auf den Schultern der Beschäftigten und zulasten der angebotenen Qualität - deshalb wollen wir einen allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Ferner wollen wir, dass die im Postgesetz festgeschriebene Sozialklausel eingehalten wird, wonach die in der Branche üblichen Arbeitsbedingungen nicht wesentlich unterschritten werden dürfen. Die SPD wird sich auch gegen Einschränkungen und für eine Fortschreibung des Universaldienstes einsetzen.
Denn im Zuge der Privatisierung der Post wurde in Art. 87f des Grundgesetzes (GG) festgeschrieben, dass der Bund im Bereich des Postwesens flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten hat. Den Hintergrund für diesen Verfassungsauftrag bildete die Sorge, dass der privatwirtschaftliche Wettbewerb sich auf die Zentren und lukrative Großaufträge konzentrieren, die Versorgung der Fläche aber nicht mehr ausreichend sichergestellt sein könnte. Deshalb finden sich im Postgesetz und insbesondere in der Post-Universaldienstverordnung Vorgaben, wie dieses Mindestangebot an Postdienstleistungen flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden muss: mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen, mindestens eine stationäre Einrichtung in Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern, maximale Entfernung von 2 km in Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern, in zusammenhängend bebauten Wohngebieten maximale Entfernung von 1 km zum nächsten Briefkasten, ausreichende Leerungszeiten der Briefkästen, Zustellung von Briefsendungen mindestens einmal werktäglich, mindestens 80 % der Sendungen müssen am auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt werden. Die Gewährleistung dieses flächendeckenden Universaldienstes trägt bisher alleine die Deutsche Post AG. Diese Mindestanforderungen müssen grundsätzlich erhalten bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Aydan Özoguz, MdB