Frage an Aydan Özoğuz von Kurt S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Oezoguz,
in der gestrigen außerordentlichen Parlamentssitzung zur "Spanien-Hilfe", genauer Hilfe für spanische Privatbanken, äußerte sich ihr Herr Steinmeier in einer Stellungnahme Kritik am Verhalten der Regierung hinsichtlich der mangelhaften Informationspolitik. Wie er sagte , "hungern die Menschen nach Erklärungen" und wollen wissen "ob dieses Fass einen Boden hat".
Daher meine Frage, sind Ihnen die Haftungsregeln der Hilfen überhaupt klar?
Vermutlich wissen Sie nicht mehr als alle anderen Parlamentarier, einschließlich Herr Finanzminister Dr. Schäuble. Herr Schäuble wurde noch am Wochenende vom designierten ESM Chef Regling darüber aufgeklärt, dass die Länder-Haftung bei der direkten Finanzierung von privaten Banken komplett entfällt, so steht es letztlich auch im ESM Vertrag, dem auch Sie leider zustimmten. Herr Schäuble sagt dennoch genau das Gegenteil. Warum nur? Kennen Sie Details?
Der EFSF wird mitsamt allen Verbindlichkeiten der Länder vom ESM übernommen, also auch die 100 Mrd € Finanzhilfe an spanische Pleitebanken und die "Garantie" Spaniens.
Die Statuten des ESM sind per se verschieden von denen des EFSM, Spanien wird aus der Haftung automatisch entlassen, bzw. wird sich juristisch gleich hinter dem ESM verstecken.
De facto wird Deutschland um alle Sicherheiten gebracht. Spanien kann absehbar auch gar keine Rückzahlungen mehr leisten, denn bei einer landesweiten Arbeitslosenquote von mehr als 25% , bei unter 25-Jährigen sogar über 50%, besteht keine Möglichkeit mehr Überschüsse zu erwirtschaften, das war ja auch in all den Jahren zuvor nicht drin, das Doppeldefizit im Haushalt war treibender Faktor der Krise.
Warum stimmen Sie dennoch für diese "Hilfe"?
Sie haben trotz Bedenken ihrer Fraktion noch positiv abgestimmt.
Der Schaden durch Ablehnung sei zu groß, als dass die SPD gegen den Antrag stimmen könne.
Welche Bedenken haben Sie im Detail? Unser aller Geld ist definitiv futsch, diesmal sogar mit ESM-Garantie.
Sehr geehrter Herr Schneiders,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Sondersitzung des Bundestages vom 19. Juli 2012 und den Finanzhilfen für Spanien. Ich kann Ihre Skepsis und Sorge gut verstehen, uns in der SPD-Bundestagsfraktion ging es bei der Abstimmung nicht anders.
Wie Sie sicher wissen, halten die spanischen Banken nach dem Platzen der spanischen Immobilienblase viele faule Kredite in ihren Bilanzen und können sich nur noch schwer am Kapitalmarkt refinanzieren. Die Finanzmärkte spekulieren nach wie vor über die vorhandenen Risiken bei spanischen Banken. Nur durch die Lösung des Bankenproblems wird es aber Spanien gelingen, wieder auf die Beine zu kommen. Auch wenn es vielen nicht schmecken mag: Ohne ein stabiles Bankensystem ist das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem bedroht. Die Bankenrettung ist also kein Selbstzweck, sondern sie dient letztlich der Realwirtschaft.
Die Grundlage für die Finanzhilfen aus dem befristeten Euro-Rettungsschirm EFSF bildet eine Vereinbarung, in der die Bedingungen für die Mittel von bis zu 100 Mrd. Euro festgelegt sind. Die Kredithilfen fließen nicht direkt an die notleidenden Banken, sondern über den staatlichen Bankenrestrukturierungsfonds FROB. Damit wird also keine direkte Bankenhilfe, sondern ein rückzahlbarer und verzinster Kredit an den spanischen Staat vergeben. Nach eingehender Prüfung enthält die Vereinbarung strenge Auflagen für den Umbau und gegebenenfalls auch die Insolvenz spanischer Banken. Diese Maßnahmen sind eng angelegt an die bereits in Deutschland angewandten Instrumente. In der aktuellen Lage darf es selbstverständlich keine bedingungslose Rettung von Banken um jeden Preis geben. Banken ohne tragfähiges Geschäftsmodell müssen abgewickelt werden. Zudem werden die Gehälter in staatlich unterstützten Banken in Spanien auf 300.000 Euro begrenzt.
Klar ist aber auch, dass die Maßnahmen zur Restrukturierung der spanischen Banken nur ein erster Schritt sein können, um die Bankenkrise in Europa zu bewältigen. Nun müssen weitere Schritte folgen: Die SPD fordert seit geraumer Zeit eine verstärkte Finanzmarktregulierung, die Trennung von konservativem Kreditgeschäft und hochspekulativem Investmentbanking, eine bessere Eigenkapitalausstattung der Banken sowie eine schlagkräftige europäische Bankenaufsicht. Das alles muss zügig umgesetzt werden, damit der Steuerzahler eben nicht unmittelbar für Risikogeschäfte von Banken haftet!
Mit der Entscheidung im Bundestag über die Finanzhilfen für den spanischen Finanzsektor hat erst die überfällige Debatte über den künftigen Umgang mit notleidenden Banken in der Eurozone begonnen. Mittelfristig geht es um die Frage der direkten Banken-Rekapitalisierung: Direkte Hilfen für Banken sind bislang weder im Rahmen der EFSF noch des künftigen ESM vorgesehen. In den Beschlüssen des letzten EU-Gipfels heißt es klar und eindeutig, dass direkte Bankenhilfen nur dann in Frage kommen, wenn vorher eine europäische Bankenaufsicht etabliert worden ist. Gegen eine stärkere Bankenaufsicht kann niemand ernsthaft etwas einzuwenden haben.
Ich hoffe, Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben und mit meinen Ausführungen erläutern können, warum die große Mehrheit der SPD-Fraktion und auch ich den Finanzhilfen an Spanien zugestimmt haben.
Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoğuz, MdB