Frage an Aydan Özoğuz von Guntram S. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Özoğuz,
der Koran enthält meines Wissens keine Vorschrift, dass ein Mann nur mit einer Frau verheiratet sein kann.
Würden Sie diese Toleranz gegenüber Polygamie eher als Diskriminierung des weiblichen Geschlechtes ansehen, oder sehen Sie in der standesamtlichen Ehe in Deutschland, die die Ehe nur mit einer Frau zulässt eine Diskriminierung Andersgläubiger?
Auch das Christentum und das Judentum kennen aus der Heiligen Schrift keine Vorschrift, die Polygamie verbietet, auch wenn die wichtigsten Konfessionen diese vorschreiben.
Sind vielleicht Religionen/Gott toleranter und menschlicher mit den Menschen, als uns Bürgern gerne aus verschiedensten Interessen heraus vermittelt wird, und stecken hinter einschränkenden Ehevorstellungen möglicherweise profane GELD- und MACHTINTERESSEN der jeweiligen Institutionen (weltlicher "Staat", weltliche Organisationsstruktur der Kirchen)?
Mit freundlichen Grüßen
Guntram Seiß
Sehr geehrter Herr Seiß,
vielen Dank für Ihre Fragen, deren argumentative Herleitung ich so noch gar nicht gehört habe.
Es ist doch klar, dass für alle in unserem Land das Grundgesetz und die rechtsstaatlichen Gesetze zu gelten haben, die selbstverständlich nur die Ehe mit einem Partner als einzige rechtmäßige Form der Eheschließung erlauben.
Bei der Auslegung der Suren im Koran sollten wir – wie auch bei Bibelstellen – den zeitlichen Kontext, in dem sie entstanden sind, stets mitdenken. Heutzutage kommt doch niemand ernsthaft auf die Idee, aus dem Grundgesetz Artikel 6 eine Diskriminierung ableiten, weil Polygamie verboten ist. Und auch in islamisch geprägten Staaten gilt jeweils die Verfassung. So ist in der Türkei die Mehrehe grundsätzlich verboten, im Iran – wenn auch wiederum unter vielen Auflagen – hingegen nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoğuz, MdB