Frage an Aydan Özoğuz von Tobias P. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Özoğuz,
ich bin äußerst beunruhigt darüber, dass Sie (wie viele andere Bundestagsabgeordnete) vor der Abstimmung über die Erweiterung der EFSF am 29.09.2011 nicht einmal die ungefähre Höhe der deutschen Bürgschaften kannten. Über 211.000.000.000 € Steuergelder sind kein Pappenstiel, und Fraktionszwang darf Kompetenz nicht ersetzen. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung sollten Sie wissen, dass Kompetenz eine Voraussetzung für kluge Entscheidungen ist. Parlamentarier, denen ein sechsseitiger Gesetzentwurf, hervorragende Informations-Dienste des Bundestages und (abgesehen von 7.668 € Diäten) jeden Monat 14.978 € für Mitarbeiter zur Verfügung stehen, sollten zumindest in groben Zügen wissen, worüber sie entscheiden.
Warum wissen Sie nicht Bescheid über die wichtigsten Fakten der Gesetze, über die Sie abstimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Tobias Plebuch (PD, Berlin)
Sehr geehrter Herr Dr. Plebuch,
Sie und zwei andere Interessierte haben mich auf diesem Portal im Nachgang zur Ausstrahlung der Panorama-Sendung vom 29.9.2011 befragt. Da Sie alle drei ähnliche Fragen haben, ähneln sich natürlich auch meine Antworten.
Lassen Sie mich vorab sagen: Der Auftritt war dem Sachverhalt leider nicht angemessen, ich kann Ihren Ärger darüber verstehen. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur erklären, wie die Situation in meinem Fall zustande kam. Tatsächlich stand unvermittelt dieses Fernsehteam vor mir und ohne sich so recht vorzustellen wurden Fragen gestellt, was EFSF bedeutet, ob das ganze Geld schon weg sei, etc. Mir dämmerte, dass dies kein besonders seriöser Beitrag werden würde. Als die Frage zur Höhe des Beitrags kam, war ich mir auf einmal unsicher ob wir "nur" über die Erhöhung seit der letzten Abstimmung oder über den Gesamtbetrag abstimmen würden. Da ich verhindern wollte, dort mit einem falschen Betrag (das wäre die 88 Mrd. €-Erhöhung nun ja auch tatsächlich gewesen) genannt zu werden, habe ich dann gar keinen Betrag genannt.
Was mich an diesem Fernseh-Beitrag ärgert ist, dass suggeriert wird, wir Abgeordnete würden da alle lachend und Kaffee trinkend in solche Abstimmungen laufen. Und wenn ich Ihre Mail richtig lese, scheint es bei Ihnen ja auch genauso funktioniert zu haben. Was aber mitnichten der Fall ist. Seit Monaten beschäftigt uns dieses Thema und wir müssen uns am Ende eben auch nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten mit vielen Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis darüber unterhalten, eine Veranstaltung zur Finanzkrise mit Peer Steinbrück angeboten und auf meinen Berlinfahrten mit den Besucherinnen und Besuchern diskutiert. Letztendlich haben Sie aber Recht, ich konnte in der Sekunde die richtige Summe nicht nennen. Und das will ich auch gar nicht schönreden.
Nun zu versprechen, dass ich zukünftig immer alle Zahlen auf Kommando parat haben werde, ist zwar erstrebenswert, allerdings halte ich es für eher unrealistisch. Es wird immer mal einen Moment geben, in dem man eben nicht wie eine Maschine alles ausspuckt und das bedeutet trotzdem nicht, dass man sich mit der Materie so gar nicht befasst hätte. Möglicherweise werden Sie dies auch aus Ihrem eigenen Berufsleben kennen.
Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoguz, MdB