Frage an Aydan Özoğuz von Rebecca B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Özoguz,
wie stehen Sie zum für 2013 geplanten ESM? Glauben Sie nicht auch, dass Staaten nicht künstlich gegen alle Regeln des Marktes agieren können? Lieber ein Ende mit Schrecken und dann ein Neuanfang als ein Schrecken ohne Ende, wie es derzeit bei der Euro-Rettung praktiziert wird, dies scheint zumindest die Auffassung unter Wirtschaftsexperten zu sein. Doch diese werden offenbar von der Politik ignoriert? Aber es kann doch nicht gut sein, wenn weniger verschuldete Länder Schulden aufnehmen, um noch verschuldetere Länder zu retten? Das kann nicht gut gehen, da letztendlich ja auch die Rettung auf Schulden aufgebaut ist. Eine Umschuldung der Pleite-Länder wird zwar schmerzhaft, so Ökonomen, und ist in allen Details nicht vorhersehbar, aber letztendlich sind das die Regeln des Marktes und die kennen auch die Banken, die in die letzten Jahren durchaus von den mit hohen Risikoaufschlägen versehenen Staatsanleihen der Pleiteländer profitiert haben. Die SPD hat doch im Rahmen der Bankenkrise gefordert, dass sich die Banken an den Folgekosten beteiligen.
Warum fordert die SPD das nicht im Falle der Euro-Rettung?
Sehr geehrte Frau Bellano,
vielen Dank für Ihre Frage zum ESM, die ich Ihnen gerne beantworte.
Natürlich kann ich Ihre Skepsis gegenüber einer Neuverschuldung in den „Helfer-Ländern“ wie Deutschland gut nachvollziehen. Andererseits müssen pragmatische und konstruktive Lösungen gefunden werden, wie die Euro-Zone und ihre Mitgliedsstaaten funktionsfähig und „am Leben“ gehalten werden können. An der Findung solcher Lösungsansätze arbeiten die Finanzpolitiker der SPD mit ihrer Expertise und vollem Engagement.
Der am 20. Juni 2011 von den EU-Finanzministern beschlossene neue Krisenfonds ESM ist - ganz abgesehen davon, dass dem Parlament der Vertragsentwurf von Seiten der Regierung viel zu lange vorenthalten wurde - unbefriedigend. Bereits am 9. Juni stellte die SPD in ihrem Entschließungsantrag (Drucksache 17/6161) klar, dass das Vorhaben nicht weit genug geht. Private Gläubiger müssen grundsätzlich und somit stärker als bislang an der Sanierung geschwächter EU-Mitgliedsstaaten beteiligt werden. Zwar werden ab 2013 alle Anleihen der Euro-Staaten eine Klausel enthalten, nach der im Falle einer Zahlungsunfähigkeit Anleihen verlängert und ein Teilverzicht der Gläubiger vereinbart werden kann. Eine automatische und verpflichtende Beteiligung des privaten Sektors ist damit jedoch nicht erreicht worden.
Zudem müssen die zukünftigen Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte des Bundestages in jeder Phase der Tätigkeit des ESM gesichert sein. Über die bisher eingeleiteten Maßnahmen hinaus fordern wir ein Europäisches Wachstumsprogramm, um die wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit kriselnder Mitgliedsstaaten zu unterstützen. Wie Sie vielleicht wissen, gehen ca. 60 % aller deutschen Exporte in EU-Staaten. Somit ist die finanzielle Stabilität und Zahlungskraft der anderen Mitgliedsstaaten letztendlich auch in unserem, deutschen Interesse.
Ich hoffe, Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoguz, MdB