Frage an Aydan Özoğuz von Wolfgang B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Ich stelle Ihnen als Abgeordnete und insbesondere Integrationsbeauftragte der SPD folgende Fragen und bitte um Antwort:
In Ihrer Funktion als Integrationsbeauftragte haben Sie im Jahr 2010 eine Pressemitteilung der SPD (1004/2010 14. Juli 2010) zum Thema Burka herausgeben lassen.
Darin steht als Schlussabsatz: „Statt eines Verbotes müssen wir mit allen Mitteln versuchen, dass keine Frau mehr gezwungen wird, die Burka zu tragen. Dafür brauchen wir eine differenzierte und ernstgemeinte Debatte in der Gesellschaft.“
Für eine differenzierte und ernstgemeinte Debatte sind klare Aussagen erforderlich, um die Standpunkte klar abgrenzen zu können.
1. Welche Maßnahmen (Mittel) gegen diesen Zwang haben Sie seit der Veröffentlichung der Pressemitteilung initiiert und wie ist der Stand?
2. Die Pressemitteilung lässt vermuten, dass Sie für die Burka sind, wenn sie freiwillig getragen wird. Ist das richtig?
3. Zu Recht weisen Sie darauf hin, dass es sich um einen kleinen Teil der Bevölkerung handelt. Es steht zu befürchten, dass gerade dieser Teil an der Debatte nicht teilnehmen wird. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie konkret diese Menschen erreichen? Mit welchem zeitlichen Horizont?
4. Gesetze wurden bereits in der Vergangenheit zum Schutz von Bevölkerungsminderheiten erlassen, z.B. § 225 StGB, Mißhandlung von Schutzbefohlenen. Im verwandtschaftlichen Rahmen ist immer mit sozialer Kontrolle zu rechnen, die eine freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 GG nicht zu lässt. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie den Nachweis erbringen, dass eine betroffene Frau tatsächlich freiwillig die Burka trägt, so dass ein Gesetz zum Schutz dieser Frauen tatsächlich nicht nötig ist?
Mit freundlichen Grüßen
W. Buck
Sehr geehrter Herr Buck,
vielen Dank für Ihre Fragen zu meiner Pressemitteilung zur Diskussion über ein Burka-Verbot.
Ich beantworte Ihre Fragen in der von Ihnen genannten Nummerierung:
1. Wie aus der Pressemitteilung ersichtlich, habe ich eine differenzierte und ernstgemeinte Debatte gefordert. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dafür in ihrer politischen Arbeit ein breit angelegtes Integrationskonzept erarbeitet, verabschiedet im Januar 2011. Hier können Sie das Integrationskonzept einsehen http://oezoguz.de/wp-content/uploads/2011/01/SPD-Integrationskonzept.pdf . Dort ist noch einmal aufgeführt, dass Verbotsdebatten über Kleidungsstücke unserer Meinung nach die vorhandenen Probleme nicht lösen. Wo Frauen unterdrückt werden, setzen wir auf Beratung und juristische sowie sozialpädagogische Einrichtungen, um Frauen zur Durchsetzung ihrer Rechte zu befähigen. Eine konkrete parlamentarische Gesetzesinitiative ist hier bspw. der Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion gegen Zwangsverheiratung und für ein erweitertes Rückkehrrecht von Opfern der Zwangsheirat im Aufenthaltsgesetz auf Drucksache 17/4197 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/041/1704197.pdf .
2. Nein, ich lehne die Burka ab. Das würden Sie auch erkennen, wenn Sie die Pressemitteilung aufmerksam durchgelesen hätten, dort sagte ich wörtlich: „Klar ist: Die Burka diskriminiert Frauen, die sie tragen müssen, und verhindert ihre gleichwertige Integration in unsere Gesellschaft. Kein Mensch, keine Glaubensrichtung kann ernsthaft wollen, dass sich eine Frau nur in Ganzkörper-Verschleierung außer Haus bewegen darf.“ Ich denke, das ist eine eindeutige Aussage.
3. Die Frage ist doch: Möchten Sie, dass diese und andere Frauen gestärkt werden? Dann gehe ich davon aus, dass Sie mit uns gemeinsam für deren gesicherten Aufenthalt (ohne vom Mann abhängig zu sein) und unter bestimmten Voraussetzungen für deren Wahlrechte kämpfen. Wichtig sind außerdem niedrigschwellige Beratungsangebote, die aufsuchenden Charakter haben. Eine Kooperation mit Moschee-Verbänden, die über die staatlichen-, ehrenamtlichen- und freien Institutionen und Träger sowie deren Angebote informieren, ist ein gangbarer Weg.
Darüber hinaus muss immer wieder deutlich gemacht werden, dass die Burka keine religiöse Grundlage hat.
4. Dieser Nachweis ist nicht durch mich als Politikerin zu erbringen. Das wäre nun wirklich absurd. „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“, so heißt es in Artikel 2 Grundgesetz. Wird dagegen verstoßen, steht der Rechtsweg offen. Dann ist es Sache der Staatsanwaltschaften, die Beweise zusammenzutragen. Meine Aufgabe ist es, jedweder Demütigung einer Frau entgegenzutreten – auch von Burka-Gegnern.
Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoguz, MdB