Frage an Astrid Rothe-Beinlich von Wilfried M. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Ethik-Lehrerin Rothe-Beinlich,
ich stieß auf Ihre Werbung pro "Schul- Sozialarbeit" (1).
Da interessiert mich, welche konkreten Ethik-Grundhaltungen/Arbeitsweisen/ Methoden der "Sozial- Arbeit" Ihnen vorschweben, damit Sie und Ihre GRÜNEN Mitstreiter das propagierte Ziel -keinen zurückzulassen- erreichen.
Die Frage ergibt sich u.a. aus dem 2010 verbreiteten "Essay über den Wandel im Selbstverständnis der Sozialarbeit als Kernfach der sozialen Dienste", den der Dipl. Psychol. Prof. Dr. rer. nat Wolfang Klenner (1921-2015) hinterließ, der in Bielefeld selber Heilerzieher und Soz.- Päds. ausgebildet hatte (2).
Schwebt Ihnen vor, die Zukunfts-Gesellschaft gemäß "fest verankertem" Social Engineering nach Ihrem Bilde zu formen? Halten Sie die Ihnen konkret vorschwebende Sozialarbeit für (human)wissenschaftlich fundiert und -dem Geist nach- mit Geist und Buchstaben des GG im Einklang stehend?
Wissen Sie, ob "No-child-left-behind"- Programme z.B. im mutmaßlichen Mutterland der Idee hielten/ halten, was sie versprochen hatten?
Ich bitte um vollständige und wahrheitsgemäße Beantwortung.
Hochachtungsvoll
Dipl. med. Wilfried Meißner
Facharzt für Anatomie, Psychiatrie und Psychotherapie a.D.
Anti-Korruption . Reformation 2014 e.V.
1) https://www.gruene-thl.de/bildung-wissenschaft/schulsozialarbeit-ist-unseren-schulen-nicht-mehr-wegzudenken
2) http://www.karin-jaeckel.de/aktuelles/Essay_Selbstverstaendnis_sozialer_Dienste.pdf
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. In der Jugendhilfe stellt die Jugendsozialarbeit an Schulen (Schulsozialarbeit) die intensivste Form der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule dar. Ziel von Schulsozialarbeit ist es sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und zu fördern. Dadurch sollen die Chancen auf Teilhabe und eine eigenverantwortliche sowie gemeinschaftsfähige Lebensgestaltung von jungen Menschen verbessert werden.
Gerade bildungswissenschaftliche Erkenntnisse zeigen immer wieder, dass die soziale Herkunft von jungen Menschen sowie eine positive Persönlichkeitsentwicklung in hohem Maße mitentscheidend für den schulischen Erfolg sind. Daher setzen wir uns perspektivisch für Schulsozialarbeit an allen Schulen ein, gerade auch mit Blick auf die Tatsache, dass jedes Jahr etwa acht bis neun Prozent der Schüler*innen die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Deswegen braucht es neben vielen anderen wichtigen Maßnahmen für gute Schule eben auch mehr Schulsozialarbeit an unseren Schulen. Schulsozialarbeit ist richtigerweise an vielen Schulen mittlerweile nicht mehr wegzudenken.
Als Land unterstützen wir die kommunal organisierte Schulsozialarbeit mit einem Landesprogramm und stellen derzeit für die Landkreise und kreisfreien Städte als öffentliche Träger der Jugendhilfe 22,5 Millionen Euro zur Verfügung, was eine beachtliche Steigerung gegenüber den Vorjahren darstellt. Damit werden etwa 400 Vollzeitstellen gefördert.
Politisch streben wir derzeit die feste gesetzliche Verankerung der aktuellen Förderhöhe von 22,25 Millionen Euro im Thüringer Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetz an, um den Kommunen, den Landkreisen und kreisfreien Städten als örtliche Träger der Jugendhilfe über das Jahr 2020 hinaus Planungssicherheit zu verschaffen. Diese Planungssicherheit ist notwendig, gerade mit Blick auf verlässliche und gute Arbeitsbedingungen.
Sie fragen zudem nach Grundhaltungen, Arbeitsweisen und Methoden der Schulsozialarbeit. Damit sprechen Sie eine fachwissenschaftliche Frage an, die in der jeweiligen Profession und in den Ausbildungsordnungen an den jeweiligen Hochschulen unabhängig einer politischen Einstellung beantwortet werden muss. Einen guten Überblick über Grundlagen der Schulsozialarbeit bietet beispielsweise die bundesweite Informations- und Vernetzungsseite zur Schulsozialarbeit in Deutschland [http://www.schulsozialarbeit.net/grundlagen].
Bezüglich des "social engineering" durch Schulsozialarbeit möchte ich klarstellen, dass wir in Deutschland in einem demokratischen Land mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung leben und auch unser Bildungs- und Sozialsystem auf diesem Wertefundament basieren. Diesen Werten ist selbstverständlich auch die Schulsozialarbeit verpflichtet, weshalb sich die Arbeit von Schulsozialarbeiter*innen auch daran ausrichtet.
Mir ist bewusst, dass Sie völlig andere Ansichten vertreten. Daher beschränke ich mich ausschließlich auf die fachliche Beantwortung Ihrer Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Astrid Rothe-Beinlich