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Arne Platzbecker
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Frage von Alexander L. •

Winterdienst nicht leistungsfähig - was tun Sie?

Sehr geehrter Herr Platzbecker,
der Schnee der letzten Tage wird Ihnen nicht entgangen sein. Die Räumung der Wege im Bezirk Hamm und andernorts lässt gleichwohl zu wünschen übrig. Die Stadtreinigung weist jede Verantwortung von sich, lässt ihren Pressesprecher verkünden, man erfülle den Streuplan. Doch wer als Fußgänger:in unterwegs ist, muss sich fragen, was hier los ist? Wie ist denn nun die Sachlage? Gibt es zu wenig Personal oder sind die Hauseigentümer nur zu bequem, um für geräumte Wege zu sorgen? Schließen wollen und sollen wir alle mehr zu Fuß unterwegs sein, zum Beispiel, um den ÖPNV zur Arbeit zu nehmen oder um im Kulturverein unser Ehrenamt wahrzunehmen. Was können wir also tun, damit ein normaler Winter unser reichen Stadt nicht mehr so zusetzt? Wir haben es jedenfalls satt, dass jede Behörde nur auf die andere verweist und sich aus der Verantwortung stiehlt. Danke!

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haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, auch wenn der Anlass wenig erbaulich ist. Denn Sie haben natürlich vollkommen Recht: In weiten Teilen der Stadt hatte die bestehenden Streu- und Räumpflicht nicht funktioniert. Anfang Januar zeigte sich in vielen Stadtteilen das gleiche Bild: Glatteis – und das auch noch Tagen nach dem Schneefall. Erst das Tauwetter sorgte dafür, dass mehrfach überfrorene Wege wieder passierbar wurden. Medienberichten zufolge sind in den ersten Januarwochen über 100 Menschen infolge des Glatteises verunglückt. Für eine Stadt wie Hamburg ist das nicht würdig.

Immerhin, beim kurz darauf einsetzenden, zweiten Schneefall des Jahres hat es nach meinen Beobachtungen deutlich zuverlässiger funktioniert. Gerade die Gehwege wurden deutlich besser und zuverlässiger geräumt.

Doch was muss passieren, damit es im nächsten Winter ohne tagelange Schlitterpartien läuft? Hier muss die Frage erlaubt sein, wer eigentlich für die Umsetzung der Streu- und Räumpflicht (kurz: Winterdienst) zuständig ist.  Und das ist sicher einer der „Gründe“, die zu Ihrer Frage geführt haben. Es gibt nicht die eine Behörde oder das eine öffentliche Unternehmen, dass in die Verantwortung genommen werden kann. Doch Rechtsstaat sei Dank, lässt sich die Frage nach der Zuständigkeit in den §§ 28 und 31 des Hamburgischen Wegegesetz einfach nachlesen. Abseits einiger Sonderfälle lässt sich festhalten, Hamburger Stadtreinigung (SRHH) sowie die Anlieger teilen sich die Verantwortung beim Winterdienst.

So zeichnet sich die SRHH in der Regel für Straßen und öffentliche Gehwege, etwa durch Parks oder über Brücken verantwortlich. Beim Winterdienst muss die Stadtreinigung zudem die „Erreichbarkeit und Funktionsfähigkeit des öffentlichen Personenverkehrs“ besonders berücksichtigen. Für alles andere, und damit Gros der Fußwege sind die Hausbesitzer in der Verantwortung. Alle an ein nicht öffentliches Grundstück angrenzenden Gehwege müssen durch den Besitzer selbst geräumt und gestreut werden. Und dies, falls nötig mehrmals täglich. Dabei gilt, bei Schneefall oder Glätte nach 20 Uhr muss der Weg bis 8.30 Uhr am nächsten Morgen geräumt sein. An Sonn- und Feiertagen genügt bis 9.30 Uhr. Der Hauseigentümer kann die Pflicht an einen Mieter oder eine Firma übertragen. Die dabei entstehenden Kosten können über die Nebenkostenabrechnung auf alle Mieter übertragen werden.

Wenn nun der Fußweg vor Ihrer Haustür nicht geräumt ist, ist die Chance also hoch, dass Ihr Vermieter oder aber der zuständige Mieter oder die beauftragte Firma das nicht getan haben. Berichte aus anderen Stadtteilen und Bezirken zeigen, dass insbesondere in Quartieren mit Mehrfamilienhäusern die Gehwege nicht gut geräumt waren. Rutschen Sie wiederrum beim Überqueren der Straße, wäre es die Pflicht der SRHH gewesen, hier für die Beseitigung der Glätte zu sorgen – außer es handelt sich um Nebenstraßen. Für Radwege ist zudem auch erstmal die Stadt verantwortlich, aber das ist nochmal ein eigenes Kapitel für sich (später mehr dazu). Der Vollständigkeit wegen muss erwähnt werden, dass auf Geh- und Radwegen in Hamburg der Einsatz von Tausalz aus Gründen des Tier- und Pflanzenschutzes verboten ist. Die Stadtreinigung etwa streut auf den Wegen mit feinkörnigem Kies, der je nach Witterungslage aber auch schnell wieder überfriert.

 

Was also tun, damit wir in Hamburg beim nächsten Schneefall besser aufgestellt sind?

Ich könnte es mir an der Stelle einfach machen und wie einige politische Mitbewerber suggerieren, einfach Antworten für diese Herausforderung zu haben. Das glaube ich offen gestanden nicht. Ich bin überzeugt, dass wir, auch wenn es schwerfällt, ehrlich bleiben und offen miteinander umgehen sollten. Dazu gehört, dass es auch hier keine kurze und für alle und in jedem Fall zufriedenstellende Antwort gibt. So wird etwa lautstark gefordert, die SRHH für den Winterdienst personell und materiell massiv aufzurüsten. Das halte ich nicht für sinnvoll. Zum einen, weil sich hier die Frage aufdrängt, wo das Geld insbesondere aber auch das Personal herkommen soll. Zum anderen, weil ich es für unklug halte, derart viele Ressourcen für ein ärgerliches, aber eher punktuelles Problem aufzuwenden. Auch in Hamburg werden die Winter immer milder, die Anzahl der Schnee- und Frosttage nimmt kontinuierlich ab. So war der Winter 2019/2020 der erste Winter ohne Eistag. Das bedeutet, an keinem Tag blieb die Temperatur 24 Stunden lang unter null Grad Celsius. Zudem gab es in dem besagten Winter mit 17,4 Grad Celsius den wärmsten in Hamburg gemessenen Wintertag (16. Februar). Das heißt zwar nicht, dass es kein Schnee und Eis mehr gibt, wie dieser Januar zeigt – dies ist aber eher die Ausnahme als die Regel. Angesichts dieser Umstände halte ich es wie gesagt für wenig vertretbar, substanzielle Ressourcen für den massiven Ausbau des Winterdienstes zu binden. Zur Orientierung: Diesen Winter ist die Stadtreinigung mit rund 725 Einsatzkräften in rund 280 Fahrzeugen unterwegs gewesen, um etwa 3.200 Streukilometer auf verkehrswichtigen Fahrbahnen, 660 Kilometer auf wichtigen Gehwegen ohne winterdienstpflichtige Anlieger, 8.400 Zebrastreifen und mehr als 4.300 Bushaltestellen zu räumen und streuen.  

 

Bevor Sie mich jedoch falsch verstehen: Das ist kein Aufruf, die Hände in den Schoß zu legen. Im Gegenteil!

Ich sehe durchaus, dass aufgrund der Erfahrungen dieses Winters Handlungsbedarf besteht. Das sollte jedoch klug und mit Augenmaß angegangen werden. So sehe ich konkret drei Themenschwerpunkte, mit denen wir uns bis zum nächsten Winter befassen müssen:

 

# Winterdienst auf Gehwegen durch Anlieger:

Hier gab es meines Erachtens nach den größten Herausforderungen, die sich allerdings nur n Kooperation mit den Anliegern lösen lassen. Dazu würde ich mir wünschen, dass soweit möglich alle Hauseigentümer im Spätsommer 2024 entweder durch ihr jeweils zuständiges Bezirksamt oder die BUKEA angeschrieben und auf ihre Räum- und Streupflicht sowie mögliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung hingewiesen werden. Dabei sollen insbesondere jene gezielt angesprochen werden, bei denen es diesen Winter nachweislich nicht funktioniert hat.

Zugleich sind die Bezirksämter gefordert, dass ihre Wegewarte beim nächsten Schneeereignis bereitstehen, und die Einhaltung der Streu- und Räumpflichten engmaschig kontrollieren und Verstöße umgehend ahnden. Zugleich brauchen wir einen vernünftigen Ersatz für das in Hamburg verbotene Streusalz. Hierzu hat es in den vergangenen Wintern zwar Studien und Probeversuche gegeben (etwa E-WIN), die allerdings mangels Frosts und Schnee wenig handfeste Ergebnis geliefert haben. Angesichts der Tatsache, dass die Winter milder werden und Frost- und Schneetage eher die Ausnahme bilden, brauchen wir eine Lösung mit Augenmaß – statt einen eigenen „Goldstandard“ zu erfinden. Letzteres kann gerne weiterverfolgt werden, bis dahin dürfen nach meinem Dafürhalten effiziente Tau- bzw. Streustoffe genutzt werden. Sofern nicht gegeben, müssen wir als Politik mit vereinfachten Genehmigungsverfahren die Grundlage dafür schaffen, dass salzhaltige Flüssigtaustoffe auch in Hamburg (probeweise) und ohne jahrelange Verfahren auf Geh und Radwegen eingesetzt werden dürfen. Dabei gilt es die Sicherheitsbedürfnisse für die Fuß- und Radverkehr entsprechend zu stärken und zu bedenken, dass durch die milderen Winter Taumittel deutlich seltener und weniger eingesetzt werden müssen als noch in der Vergangenheit. Dies würde auch Anliegern die Möglichkeit für einen effektiven Winterdienst an die Hand geben, statt wie bei hier häufig anzutreffender überfrierender Nässe stündlich erneut räumen und streuen zu müssen.

 

# Winterdienst auf Radwegen:

Die Zahl der Radfahrer in Hamburg nimmt erfreulicherweise zu, auch Dank des beständigen Ausbaus der Radfahrinfrastruktur. Mit dieser Entwicklung bislang nicht Schrittgehalten hat der Räumdienst für die zahlreichen neuen Radwege. So ist die SRH im Rahmen des Winterdiensts bislang „nur“ für rund 315 Kilometer Radwege zuständig. Das sind zwar die meistbefahrenen Radwege, entspricht aber nur einem Bruchteil des über 1.200 kilometerlangen Radwegenetzes in Hamburg. Hier muss die Verkehrsbehörde in Abstimmung, mit der für die SRHH zuständigen Umweltbehörde bis zur nächsten Wintersaison nachsteuern. Und da für auch auf Radwegen kein Tausalz verwendet werden darf, gilt hier das gleich wie für die zuvor besprochenen Gehwege.  

 

# Winterdienst geht alle an

Da sich im beheizten Büro vergleichsweise einfach fordern lässt, dass andere bei Minusgraden das Eis auf den Straßen entfernen sollen, möchte ich abschließend auf Verständnis und Unterstützung werben. Die Mitarbeiter der SRHH erledigen in aller Regel einen guten Job und niemand von denen hat ein ernsthaftes Interesses daran, dass es durch Glätte zu Stürzen und Verletzungen kommt. Zugleich können wir uns alle selbst Fragen, war vor meiner Haustür geräumt? Falls nicht, einfach mal beim eigenen Vermieter nachfragen, wer dafür zuständig ist. Im Zweifelsfall zahlen Sie bereits über die Nebenkostenabrechnung eine nicht erbrachte Dienstleistung. Und sollten Sie vor Ihrer Tür den Schneeschieber mal selber in die Hand nehmen und beim Nachbar ist nicht geräumt? Dann freut der sich sicher über spontane Unterstützung. Erkrankungen sind ja gerade in dieser Jahreszeit keine Seltenheit und wer weiß, kommende Woche benötigen vielleicht Sie selber mal Hilfe.

Zugleich sollte die SRHH an Wintertagen offensiver ihre Winterdienst-Hotline (040 / 2576 1313) über die zahlreichen Werbedisplays in der Stadt bewerben, über die glatte Stellen einfach und problemlos gemeldet werden können. Ich würde zudem eine ganzjährige Werbekampagne unterstützen, um die SRH-App bekannter zu machen. Dort finden sich mittlerweile fast alle Dienstleistungen der SRHH nur einen Fingertipp entfernt. So gibt es unter anderem die Funktion „Glätte melden“ per Foto und automatischer Lokalisierung zu melden. Gleiches gilt für Schmutzecken und Müllansammlungen im öffentlichen Raum. Zugleich zeigt die App den Weg zur nächsten Müllsammelstelle oder zum Recyclinghof. Auch die Standorte der öffentlichen WCs kennt die App. Leider nutzen noch viel zu wenige Hamburger die App der Stadtreinigung, denn auch die profitiert von den Hinweisen aus der Bevölkerung.

 

 

Im Wissen darum, dass meine Antwort Sie nicht vollends zufriedenstellen wird, so hoffe ich jedoch, dass ich Ihnen zumindest meine Position und Beweggründe nachvollziehbar darlegen konnte. Gerne lade ich Sie für ein persönliches Gespräch in mein Abgeordnetenbüro auf St. Pauli oder ins Rathaus ein. Bei Interesse melden Sie sich gerne jederzeit, damit wir Themen vertiefen können. Ich würde mich freuen.

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