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Andreas Larem
SPD
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Frage von Tom S. •

Wie stehen Sie zum geplanten Sexkaufverbot / "Nordisches Modell", das die CDU/CSU in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. 

In der Debatte über Umgang, juristische Herangehensweise und ein mögliches Verbot von Sexarbeit erleben wir seit Jahren eine kontrovers geführte politische Debatte. 

Ich persönlich bin der Meinung, dass es in der Fragestellung nach einem „richtigen“ Lösungsansatz, der den Schutz betroffener Menschen in den Mittelpunkt stellt, Antworten bedarf, die der Komplexität des Themas gerecht werden. Denn schließlich ist Sexarbeit kein Beruf wie jeder andere. Die Besonderheiten und Gefahren dieses Gewerbes, die Sicherheit im Arbeits-, Sozial- und Strafrecht sowie die gesellschaftliche Entstigmatisierung/ Enttabuisierung sind im Blick zu halten. Und natürlich muss neben dem bestmöglichen Schutz der in der Prostitution tätigen Personen auch deren Selbstbestimmung geachtet werden. 

Einfache Lösungen, wie sie mitunter die Union durch die Forderung nach Einführung des sogenannten „Nordischen Modells“ versprechen, verkennen, dass als mit der Kriminalisierung einhergehender Effekt zwar eine signifikante Reduzierung der Straßenprostitution zu erwarten, andererseits aber als Folge eine Erschwerung des Zugangs zu Hilfsangeboten für Sexarbeitende sowie zunehmende Aktivitäten im Dunkelfeld wahrscheinlich sind. Auch die Verschärfung des sozialen Stigmas von in der Sexarbeit tätigen Personen muss betrachtet werden, wenn man über die Einführung des Sexkaufverbots auch hier in Deutschland redet. Ich finde es auch nicht fair, wenn man quasi von oben herab und unhinterfragt die Motivationsgründe Betroffener als gesetzt erklärt und dabei Gefahr läuft, zu ignorieren, dass es auch Personen gibt, sie sich freiwillig für eine solche Tätigkeit entscheiden. 

So einfach, wie es vielleicht anfangs scheint, ist es dann also doch nicht. 

Oberste Priorität hat für uns als SPD-Bundestagsfraktion der Schutz und die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen für Menschen, die der Prostitution nachgehen. Nötig sind klare und durchsetzbare Regeln. Für deren Ausgestaltung ist es von Bedeutung, ob eine Person freiwillig der Prostitution nachgeht, aus mehr oder weniger unfreiwilligen Gründen sexuelle Handlungen gegen Geld anbietet oder ob eine Person Opfer von Zwangsprostitution ist. 

Wir wissen, dass die zweitgenannte Gruppe die Mehrheit der in der Prostitution tätigen Personen darstellt. Diese Menschen arbeiten häufig aufgrund von ganz unterschiedlichen persönlichen Notlagen in der Prostitution. Unser Ziel ist es, ihnen eine Perspektive außerhalb der Prostitution zu eröffnen. Daher brauchen wir mehr freiwillige, niedrigschwellige, vertrauliche, auch aufsuchende Beratungs- sowie Bildungsangebote. 

Zudem ist uns bewusst, dass die Grenze zwischen der Prostitution aus unfreiwilligen Gründen und der Zwangsprostitution mitunter fließend ist. Deshalb wollen wir erreichen, dass in diesem Graubereich mehr Kontroll- und Ermittlungsdruck ausgeübt, aber auch Unterstützung angeboten wird. Die zuständigen Behörden sind besser personell und technisch auszurüsten. Dies gilt umso mehr, da zumindest die Zwangsprostitution fest in der Hand von organisierter Kriminalität ist. Dabei ist klar: Zwangsprostitution stellt nicht nur eine große Herausforderung für unsere Sicherheitsbehörden dar, sondern auch für Sozial- und Gesundheitseinrichtungen, sich der Opfer von sexueller Ausbeutung, von Zwang und Gewalt nachhaltig anzunehmen. Wichtig ist dabei, dass die betroffenen Opfer nicht ihrerseits kriminalisiert werden und spürbare Sicherheit, Fürsorge und Hilfe erfahren: Es geht um Schutz vor den Tätern, die oft aus dem Bereich der organisierten Kriminalität stammen. Es geht um nachhaltige Hilfe, dem zwangsweise zugehörigen Milieu zu entkommen. 

Aktuell ist Prostitution zulässig – sofern sie freiwillig und von Erwachsenen ausgeübt wird. Um die Situation von in Deutschland in der Prostitution tätigen Personen zu verbessern und sie vor Menschenhandel, Ausbeutung und Zwang zu schützen, wurde 2016 das Prostitutionsgesetz (ProstSchG) erlassen. Dieses ist seit Juli 2017 in Kraft.  Kernelemente sind die Einführung einer Erlaubnispflicht für alle Prostitutionsgewerbe und einer Anmeldebescheinigung für Prostituierte.  Damit sollen Prostituierte besser geschützt und Kriminalität bekämpft werden. Insbesondere mit Blick auf die enthaltenen Schutzvorschriften fordern wir, dass es endlich in allen Bundesländern und Kommunen umgesetzt und überwacht wird. Beratungsangebote und Ausstiegshilfen müssen in dem Umfang und der Qualität angeboten werden, die den individuellen Notwendigkeiten der unterschiedlichen Personen entsprechen. Die Angebote müssen dringend gestärkt und ausgebaut werden. Betroffene sollen jederzeit Möglichkeiten und Perspektiven für ein sozial und materiell abgesichertes Leben außerhalb der Prostitution aufgezeigt bekommen können. Darüber hinaus wollen wir Heranwachsende besonders vor einem frühen Einstieg in die Prostitution bewahren: Die Zulässigkeit von legaler Prostitution erst mit 21 Jahren soll geprüft werden.

Uns als SPD war bei der Verabschiedung des Gesetzes die verpflichtende Aufnahme einer umfassenden Bewertung der Gesetzesauswirkungen wichtig. Dies haben wir erfolgreich durchgesetzt. Nach der im Sommer dieses Jahres erwarteten wissenschaftlichen Evaluation durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wollen wir fundiert bilanzieren, ob und wie die angestrebten Ziele durch die Einführung des ProstSchG erreicht werden und wo gegebenenfalls weiterer Regelungsbedarf besteht.

An der am 23. Februar stattfindenden Bundestagswahl geht es um eine Richtungsentscheidung, wie unser Land künftig regiert werden soll. Auch in dem so wichtigen Feld der Gesellschaftspolitik. Ich kann Ihnen versichern, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion, sofern sie auch weiterhin an der Regierung beteiligt sein wird, mit den aus der Evaluation hervorgehenden Ergebnissen sehr gründlich auseinandersetzen und die notwendigen Schlussfolgerungen daraus ziehen wird. Unser Ziel ist es, den Schutz der Frauen und Männer in der legalen Prostitution und den Schutz vor Zwangsprostitution und Menschenhandel wirksam zu gewährleisten. Wir lehnen jede Form der Ausbeutung von Personen entschieden ab.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort Klarheit über die Positionierung der SPD verschafft zu haben.

Melden Sie sich ansonsten jederzeit gerne erneut an mich.

Herzliche Grüße

Ihr 

Andreas Larem

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