Frage an Andreas Dressel von Gerhard R. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Dressel,
zum Staatskirchenvertrag:
In der WELT AM SONNTAG konnte man am 26.3.05 lesen, dass die jährlichen direkten und indirekten staatlichen Zuwendungen an die beiden großen Christenkirchen sich - ohne Zuschüsse für öffentliche Sozialeinrichtungen! - auf etwa 20 Milliarden Euro belaufen. Davor hatte schon der Hamburger Wissenschaftler Dr. Carsten Frerk in seinem Buch "Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland" festgestellt, dass die sozialen Leistungen der Kirchen und die von ihnen veranlaßte ehrenamtliche Arbeit bereits - viel zu teuer! - vom Staat bezahlt sind.
Wenn jetzt in Hamburg kirchliche Kita-Finanzierungsanteile von der Stadt übernommen werden, sind das Doppelzahlungen!
Diese Geldgeschenke gehen früher oder später zu Lasten von Kita-Eltern und Schulkindern.
Die Kirchen werden auch bei Nichterfüllung ihrer Forderungen nicht auf ihre Kitas verzichten, weil sie - insbesondere in Hamburg! - auf die Missionierung in diesen Einrichtungen angewiesen sind.
In fast allen Staatskirchenverträgen wurden Geldleistungen praktisch für die Ewigkeit(!)
vereinbart: Unbefristete Laufzeiten der Verträge mit dem Zusatz, dass Kündigungen bzw. Änderungen nur mit Zustimmung der Kirchen möglich sind.
Dies ist mit dem Haushaltsrecht nicht vereinbar,
weil es bei Meinungsverschiedenheiten zu jahrelangen Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang kommen kann und vor allem auf die zukünftige finanzielle Situation der Stadt keine Rücksicht genommen wird.
Laut Dr. Gerhard Czermak verstößt die "Ewigkeitsklausel" ferner gegen § 60 Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz. Auf seinen Aufsatz "Rechtsnatur und Legitimation der Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften" - veröff. in: Der Staat(39)
2000, 69-85 wird hingewiesen.
Wird die SPD-Fraktion nach Artikel 71 Absatz 2 der Hamburgischen Verfassung in der Bürgerschaft beantragen, dass der Rechnungshof den Staatskirchenvertrag prüft?
Halten Sie dies für erforderlich?
Freundliche Grüße
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
Vielen Dank für Ihre Anfrage. Das Thema Staatskirchenvertrag haben Sie auch schon gegenüber mehreren Abgeordnetenkollegen angesprochen. Insofern möchte ich da Wiederholungen vermeiden.
Ich möchte vorwegschicken, dass ich es begrüße, dass die Verhandlungen über einen zukünftigen Staatskirchenvertrag zwischen der evangelisch-lutherischen Kirche und dem Vatikan mit der Freien und Hansestadt Hamburg (Senat nicht Bürgerschaft!) wieder aufgenommen wurden. Man muss wissen, dass Hamburg das einzige Bundesland in Deutschland ist, das bisher keinen Vertrag mit den beiden großen Kirchen unterzeichnet hat. Zuletzt scheiterten 2003 die Verhandlungen an der Verweigerungshaltung der damals mitregierenden Schillpartei. Ich hoffe - als Abgeordneter und Christ (ev.-luth.)gleichermaßen -, dass der Staatskirchenvertrag dazu beitragen wird, das christliche Gemeinwesen in unserer Gesellschaft stärker zu verankern und die Aufgaben aller Partner verbindlich festzulegen. Auch wenn es bisher ohne Vertrag ging, nützt ein Vertrag eher, als er schadet.
Zum weiteren Procedere ist zu sagen, dass wir als Parlament erst bei Ratifikation des Vertrages beteiligt werden. Ich möchte daher das Dokument erst sehen und es dann bewerten. Dazu gehören auch die von Ihnen angesprochenen rechtlichen Fragen. Diese werden wir nicht aussparen in den Beratungen der zuständigen Ausschüsse. Aber abstrakt, losgelöst von einem Vertragstext, ist es nicht sinnvoll, über mögliche Rechtsverstöße zu spekulieren. Auch über eine Anrufung des Landesrechnungshofes ist dann zu entscheiden. Bitte haben Sie dafür Verständnis.
Was die Geldleistungen anbetrifft, möchte ich Ihnen sagen, dass trotz des Spardrucks (auch in der Kirche), die Kirche vielfältigste und unverzichtbare soziale Leistungen erbringt. Ich finde, wenn Kirchen Leistungen für die Allgemeinheit erbringen sie auch finanzielle Leistungen/Beiträge des Staates erhalten sollten. Dies gilt ja nicht nur für Kirchen, sondern auch für freie und andere gemeinnützige Träger. Ob ein Jugendzentrum oder eine Kita direkt vom Staat, indirekt durch Zuwendungen an freie Träger oder durch eine Kirche betrieben wird, spielt für mich - hier schließe ich mich meinem Kollegen Neumann an - keine Rolle. Es müssen allerdings die Leistungen allen offenstehen und - trotz logischerweise gewisser kirchlicher Prägung – dürfen "missionarische" Bestrebungen - wie Sie es nennen - nicht im Vordergrund stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andreas Dressel
www.andreas-dressel.de