Wie schätzen Sie die Menschenrechtslage in der Ukraine ein? In welchem Umfang werden dort demokratische Grundsätze befolgt?
Sehr geehrte Frau Nastic,
letztes Jahr wurden in der Ukraine elf Oppositionsparteien verboten. Schon vor zwei Jahren wurden dort die die ersten Fernsehsender verboten. Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine.
Wie schätzen Sie die Menschenrechtssituation in der Ukraine ein? Welche politischen Kriterien müssen Länder mindestens erfüllen, wenn sie in die EU eintreten wollen?
https://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/ukraine-verbietet-prorussische-parteien-nacht-ueberblick-36705834
https://www.n-tv.de/politik/Ukraine-verbietet-prorussische-Sender-article22335395.html
https://www.schweizer-standpunkt.ch/news-detailansicht-de-gesellchaft/ukrainische-menschenrechtlerin-alle-haben-angst.html
Mit freundlichen Grüßen
Lieber Reinhard G.,
erst einmal möchte ich mich für die verspätete Antwort entschuldigen.
Die Beitrittskriterien der Europäischen Union sind in den „Kopenhagener Kriterien“ formuliert (https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/erweiterung-eu-2049664). Dabei spielen Faktoren wie die Wirtschaftskraft als auch die politische Stabilität und die Einhaltung der Menschenrechte eine Rolle. Die politische Stabilität in der Ukraine ist seit dem „Euromaidan“ 2013 als nicht gegeben zu bewerten. Die menschenrechtliche Lage in der Ukraine ist derzeit schwer einzuschätzen, neutrale Berichterstattung darüber gibt es seit Kriegsausbruch kaum noch.
Es ist jedoch zu beobachten, dass beispielsweise die orthodoxen Kirchen und ihre Gemeinden verdrängt werden sollen und die Regierung inzwischen 11 politische Parteien verboten bzw. ihnen ihre Arbeit untersagt hat, dies wird auch von Fachleuten kritisch gesehen (https://www.fr.de/politik/kritik-an-selenkyjs-verbot-unliebsamer-parteien-91457194.html). Durch das aktuell geltende Kriegsrecht werden Bürger- und Freiheitsrechte kontinuierlich weiter eingeschränkt und von der Linie der Regierung abweichende Meinungen unterbunden. Im Zuge der neuen Regierung nach dem „Euromaidan“ wurde eine vollständige Aufklärung der Gewaltexzesse an den Demonstranten versprochen. Auch Jahre danach wurden lediglich 2 Polizisten verurteilt und die wahren Drahtzieher bleiben unbekannt (https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/ukraine).
Die Ukraine, auch nach dem „Euromaidan“, stand eben nicht für Meinungsvielfalt und Demokratie, sondern hatte große Probleme im Bereich der Korruption, der Gewaltenteilung als auch der freien, politischen Meinungsäußerung, da zum Beispiel 2015 drei Parteien verboten wurden, unter anderem die größte kommunistische Partei. Generell werden schon seit Jahren vor allem die linken Parteien verboten und ausgeschlossen (https://www.fr.de/politik/kritik-an-selenkyjs-verbot-unliebsamer-parteien-91457194.html#:~:text=Parteienverbote%20sind%20in%20der%20Ukraine,linker%20Parteien%E2%80%9C%2C%20sagt%20Ishchenko.).
Nun gibt es seit circa einem Jahr die gängige Praxis der Zwangsrekrutierung von Männern zwischen 18 und 60 Jahren. Immer mehr Männer verlassen kaum noch Ihre Häuser aus Angst, eingezogen zu werden. Daher gibt es mittlerweile Chatgruppen auf Telegram "Kyiv Povistka", die vor Militärangehörigen warnen (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-rekruten-armee-101.html). Diese Praxis ist meines Erachtens absolut falsch und inhuman. Im Zuge des Angriffskrieges Russlands hat die Ukraine den Status als Beitrittskandidat in die EU zwar erhalten, die Reformen, die die EU 2014 von der Ukraine forderten, wurden jedoch nicht umgesetzt (https://www.deutschlandfunk.de/ukraine-eu-europaeische-union-beitritt-krieg-100.html). Auch das neue Mediengesetz beziehungsweise die Einführung des „nationalen Rundfunkrates“ wird nicht dazu beitragen, unabhängige Berichterstattungen und Ansichten oppositioneller Parteien zu ermöglichen (https://www.deutschlandfunk.de/neues-mediengesetz-in-der-ukraine-100.html).
Mit freundlichen Grüßen
Zaklin Nastić