Wie ist Ihre Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen?
Guten Tag,
Wir sind Tita und Malou von der Stadtteilschule Bergstedt. Wegen eines Projektes, würde uns ihre Meinung als Politikerin sehr interessieren.
Mit freundlichen Grüßen
Tita und Malou
Sehr geehrter Frau P.,
Sehr geehrte Frau P.,
ich lehne die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens aus verschiedenen Gründen ab. Neben der nicht ausreichend beantworteten Frage der Finanzierung vor allem auch aus inhaltlichen Gründen: Das BGE würde eben nicht zur Schließung des Gefälles zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft führen, wenn es an jedermann verteilt werden würde. Es würde dem monetär armen Menschen keine größere Souveränität in seiner Lebensführung gewähren, würde er, genauso wie der Manager oder der Chefarzt, eine Summe X oben drauf bekommen. Die Mieten würden steigen, die Güter sich verteuern, die Preise also nachziehen; ein BGE würde eine Geldentwertung befördern. Es ist ein Nullsummenspiel im besten Fall und inflationsfördernd in einem schlechteren. Das BGE würde von daher eben nicht für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen.
Ich halte das bedingungslose Grundeinkommen vielmehr für einen Frontalangriff gegen die gewerkschaftliche Organisierung und die Sozialsysteme. Weder würden durch es die Bildungs- und Chancengleichheit erhöht, noch die prekäre Lebenssituation der Betroffenen nachhaltig verbessert. Es braucht stattdessen eine den Menschen in seiner Würde anerkennende, sanktionsfreie und armutsfeste Mindestsicherung und gut bezahlte Arbeitsplätze. Zudem brauchen wir eine solidarische Kranken- und Pflegeversicherung.
Das BGE würde die sozialen Ungerechtigkeiten nicht überwinden, sondern zementieren, sieht es doch, je nach Modell, die gänzliche oder die überwiegende Aufhebung anderer Leistungen des Sozialstaats vor. Um die Situation der Millionen prekär Beschäftigten zu verbessern, hier ist die Illusion angelegt, bedarf es anderer, zielgerichteter Instrumente: Eine kontinuierliche Anhebung des Mindestlohns beispielsweise, der von unten permanent Druck auf die Gehaltsgestaltungen ausübt. Denn die Arbeitnehmer können meist nur durch gewerkschaftlichen Druck ihre Forderungen überhaupt erst sichtbar machen.
Bei einem BGE besteht also die Gefahr, dass die Gewerkschaften vollends obsolet werden und dadurch noch mehr Individualismus statt Kollektivismus und Solidarität in der Arbeitswelt Einzug hält. Eine Arbeitnehmerschaft, die sich nicht mehr organsiert und ihre Forderungen nicht kollektiv vertritt, hilft nur einem, dem Arbeitgeber.
Die Debatte um das BGE lenkt davon ab, dass wir noch immer zu klären haben, wie Profite eines Unternehmens verteilt werden, also an die Wertschöpfenden, die Arbeiter, zurückgegeben werden können, wie wir die Steuern in einem Land gestalten, in dem es ein extremes Wohlstandsgefälle gibt oder wie wir mit den Schwächsten der Gesellschaft umgehen - hieran erkennt man bekanntlich ihren Wert.
Mit freundlichen Grüßen
Zaklin Nastic