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Zaklin Nastić
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Frage von Onur Y. •

Sehr geehrter Herr Gökhan, Warum haben Sie gegen den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan gestimmt?

Sehr geehrte Frau N.

ich schätze Ihre politische Weltanschauung und bewundere und achte Ihr politisches Engagement. Nichtsdestotrotz bleibt mir Ihre Stimme gegen den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan rätselhaft. Hätte Ihre Entscheidung am 25. August nicht zur Folge gehabt, dass wir die deutschen Staatsangehörigen und afghanischen Ortskräfte in Afghanistan im Stich gelassen hätten? Ich frage mich daher ernsthaft nach Ihren Motiven mit einem ,,Nein" gestimmt zu haben und wäre für eine Antwort sehr dankbar!

Mit freundlichen Grüßen
Onur

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Sehr geehrter Herr Y.

vielen Dank für Ihre Frage und das Lob für meine politische Arbeit.

Ich verstehe Ihre Verunsicherung bezüglich der Abstimmung zum Afghanistan-Mandat gerade auch angesichts der öffentlichen Debatte, die darüber geführt wurde und wird. Leider wurde in dieser mit haltlosen Unterstellungen hantiert, die unseren Beweggründen keinesfalls entsprechen. 

Ich kann Ihnen versichern, dass es uns, die wir dagegen gestimmt haben, völlig fern liegt, Menschen, die Afghanistan verlassen wollen, ja sogar Todesangst haben, im Stich zu lassen. Im Gegenteil. Uns ging es ganz zuvorderst darum, dass es eine SICHERE Evakuierung gibt. Dies war mit dem vorliegenden Mandat aber keinesfalls der Fall.

Da ich eine Frage zum gleichen Themenkomplex erst jüngst beantwortet habe, kopiere ich meine Antwort hier nochmal ein:

Selbstverständlich habe ich nicht gegen die Evakuierung aus Afghanistan gestimmt. DIE LINKE hat sich im Gegenteil sehr vehement dafür ausgesprochen, insbesondere auch die so genannten Ortskräfte viel früher aus Afghanistan zu evakuieren. Dazu hat die Fraktion DIE LINKE im Bundestag zuletzt im Juni 2021 einen Antrag eingebracht, den die anderen Fraktionen aber leider abgelehnt haben. Ich finde es absolut beschämend, wie Kanzlerin Angela Merkel, das Außenministerium, das Entwicklungsministerium, das Verteidigungsministerium und das Innenministerium die Rettung von Menschen, die Todesangst erleiden müssen, verschleppt hat. Resultat ist, dass Zehntausende allein derer, die auf den Listen des Auswärtigen Amtes stehen, das Land nicht verlassen konnten. Ganz zu schweigen von gefährdeten Afghaninnen und Afghanen, die es noch nicht einmal auf eine der Listen geschafft haben. Tagtäglich erreichen mich zahlreiche Hilferufe, die mir das Herz zerreißen.

Bei der in Ihrer Frage angesprochenen Abstimmung ging es darum, nachträglich ein Bundeswehrmandat abzusegnen. Dies konnte ich aus unterschiedlichen Gründen nicht mit meinem Gewissen vereinbaren und habe darum mit „Nein“ gestimmt:

  1. Genau wie der 20jährige Afghanistan-Krieg, der über 200.000 Zivilist:innen das Leben gekostet hat, Millionen von Menschen in die Flucht zwang und in Afghanistan eine humanitäre Katastrophe immensen Ausmaßes hinterlassen hat, war auch das am 25. Juni zur Abstimmung stehende Mandat nicht durch die Vereinten Nationen legitimiert. Die Fraktion DIE LINKE hat 20 Jahre lang gegen diesen Krieg gestimmt, der von Grund auf falsch war. Aber das vor zwei Wochen abgestimmte Mandat war auch aus weiteren Gründen völkerrechtswidrig: So beruft sich die Bundesregierung darin auf die „fortgeltende Zustimmung“ der Regierung Ghani, die aber zu diesem Zeitpunkt bereits buchstäblich implodiert war. Ein neues Mandat hätte mit den De Facto-Machthabern abgestimmt sein müssen, egal wie sehr man deren Ideologie und Methoden zu Recht ablehnt. Das Vorgehen der Bundesregierung barg damit ein gewaltiges Eskalationspotential in sich, das vor allem den zu Evakuierenden jederzeit zum Verhängnis hätte werden können.
  2. Es handelte sich bei dem Mandat um einen Kampfeinsatz und keinesfalls um ein einfaches Evakuierungsmandat. In den zuständigen Bundestagsausschüssen konnte keiner der Minister:innen ausschließen, dass Bundeswehrsoldaten auf afghanische Flüchtlinge schießen würden. Das Mandat bezog sich auch keinesfalls nur auf den Flughafen Kabul, sondern auf Gesamt-Afghanistan. In „Notsituationen“ hätten die Bundeswehrsoldaten ohne definierte Obergrenze aufgestockt werden können – ein Freifahrtschein. Und insbesondere die Entsendung des KSK drohte zu einer gefährlichen Eskalation zu führen, in deren Folge gar niemand mehr hätte evakuiert werden können.
  3. Die Evakuierung hätte auch zivil von statten gehen können. Nicht nur hat Indien, das mit rein zivilen Flugzeugen evakuiert hat, es vorgemacht. Auch bestreitet niemand aus der Bundesregierung, dass es ohnehin enge Absprachen mit den Taliban gegeben hat, die laut CIA sogar US-amerikanische Staatsbürger zum Flughafen eskortiert und die Absicherung des Flughafens Kabul übernommen haben. Eine zivile Evakuierung – unter dem Dach der Vereinten Nationen – wäre, so meine Überzeugung, viel sicherer gewesen.
  4. Im Vergleich zum Mandat aus dem Februar 2021, das die Möglichkeit zur Evakuierung bereits beinhaltete, wurden im Mandat vom 25. August die zu evakuierenden Personengruppen eingeschränkt- So sollen Mitarbeiter internationaler Organisationen und gefährdete Afghan:innen jetzt nur noch „im Rahmen verfügbarer Kapazitäten“ außer Landes gebracht werden. Genau diese Menschen sind auch in viel zu geringem Maße in die Flugzeuge gelassen worden.

Aus all den genannten Gründen kam für mich nur eine Ablehnung in Frage. Eine Evakuierung wäre auch mit zivilen Mitteln möglich und zugleich viel effektiver und sicherer gewesen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätten die Evakuierungen dann auch nicht so früh abgebrochen werden müssen.

Mit vielen Grüßen

Zaklin Nastic

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