Der russische Botschafter Sergej Netschajew hat angeboten, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. Wenn Deutschland auf dieses Angebot eingeht – wäre das ein friedenspolitisches Signal?
Sehr geehrte Frau Nastic,
kann es ein friedenspolitisches Projekt sein. auf das Angebot des Botschafters einzugehen? Im Frühjahr gab es in Istanbul Verhandlungen über einen Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland, die schon weit fortgeschritten waren. Kann die Öffnung von Nord Stream 2 der Entspannung dienen und ein Signal sein, diese Gespräche wieder aufzunehmen?
Wäre es auch im Sinne der Umwelt, Nord Stream 2 zu öffnen? Würde das verhindern, dass die Laufzeiten gefährlicher AKWs verlängert werden? Kann dieses Gas auch ein Ersatz für Fracking Gas und Kohle sein?
Wäre es ein sozialpolitisches Projekt, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen? Werden so weitere Betriebsschließungen und ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit verhindert? Wäre das viel besser, als nur die sozialen Folgen abzumildern?
Wäre es auch ein wichtiges wirtschafts- und finanzpolitisches Projekt, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen? Würden so die Gaspreise an den Börsen rasch sinken? Usw.
MfG
Lieber Reinhard G.,
vielen Dank für die Fragen. Und bitte entschuldigen Sie vielmals meine deutlich verspätete Antwort. Mit der (mutmaßlichen) Sprengung von drei der vier Strängen der Pipelines Nord-Stream 1 und 2 im September 2022 hat sich diese Frage auf den ersten Blick erübrigt; allerdings auch nur auf den ersten Blick. Wie die Bundesregierung auf meine kleine Anfrage hin im Dezember 2022 antwortete, ist nach ihrer Kenntnis zumindest „eine Reparatur der Röhren der Nord-Stream-1-Pipeline technisch möglich“ (Drucksache 20/4964). Die Frage der Wiederinbetriebnahme von Nord-Stream 1 könnte somit durchaus als deeskalierendes Signal des Westens in die Diplomatie eingebunden werden.
Abgesehen davon bin ich fest davon überzeugt, dass es ein grober politischer Fehler war, die Inbetriebnahme von Nord-Stream 2 in den Wochen und Tagen vor den Anschlägen in dieser Vehemenz ausgeschlossen zu haben. Das hiervon ausgehende Signal stürzte die Energiebörsen in Aufruhr und griff somit nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Branchen gerade in Deutschland an, auch die Preise für Privatkunden stiegen massiv und verharren seitdem auf hohem Niveau.
Weiter hat man ohne Not ein diplomatisches Druckmittel aus der Hand gegeben, denn zur Wahrheit deutscher Abhängigkeit von russischen Ressourcen gehörte eben auch die russische Abhängigkeit von deutschen bzw. europäischen Devisen.
Die Ampel-Regierung versucht seitdem Ukraine-Krieg im Februar 2022 Deutschland in seinem Energie-Bezug breiter aufzustellen, zu diversifizieren.
Sie haben diese Befürchtungen in Ihrer Fragestellung aus dem September 2022 angedeutet:
Hierfür beziehen wir nun tatsächlich umweltschädlichstes Fracking-Gas aus den USA, hierfür schloss Wirtschaftsminister Habeck auch einen 15-jährigen LNG-Deal mit dem Emirat Katar (jenes Katar, welches aufgrund seines Umgangs mit Gastarbeitern kaum würdig war, eine Fußball-WM auszurichten), hierzu schafften es führende Grüne tatsächlich, ihre Basis von einer längeren Betriebsdauer deutscher AKW´s zu überzeugen.
Ich habe frühzeitig eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge gefordert. Wer für die Sprengung der Anlagen verantwortlich ist, welche Erkenntnisse der Bundesregierung hierzu vorliegen, habe ich in einer schriftlichen Frage ebenfalls zu erfahren verlangt, unter Verweis auf „Gründe des Staatswohls“ wurde mir eine Auskunft allerdings verweigert (ebenfalls Drucksache 20/4964). Es reiht sich ein in die zunehmend zu beobachtende Praxis der Regierung, brisante Fragen entweder nichtssagend zu beantworten oder sich in höherliegendem Interesse auf eine Nichtbeantwortung zurückzuziehen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Bundesregierung an einer tatsächlichen Aufklärung der Explosionen keinerlei Interesse hat.
Mit freundlichen Grüßen,
Zaklin Nastic