Frage an Zaklin Nastić von Mira S. bezüglich Energie
Sehr geehrte Frau Nastic,
zur Zeit treibt mich die Sorge um die Zukunft der älteren PV Anlagen um, deren Stilllegung einen herben Rückschlag in Sachen Klimaschutz bedeuten würden.
Deshalb meine Frage an Sie:
Wie stehen Sie zu dem Thema und wie werden Sie in der Sache abstimmen?
Mit neugierigen Grüßen,
M. S.
Sehr geehrte Frau Saathoff,
herzlichen Dank für Ihre Frage.
Auch wir sind davon überzeugt, dass im Sinne das Klimaschutzes verhindert werden muss, dass PV-Anlagen, die nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen würden (Ü20-Anlagen), abgebaut werden müssen. Sie können schließlich in der Regel noch mehrere Jahre Ökostrom liefern. Gleichzeitig ist bei einer Anschlussförderung zu berücksichtigen, dass die Anlagen selbst vollständig refinanziert sind (in der Regel einschließlich einer auskömmlichen Rendite), künftig also nur noch der laufende Aufwand zu finanzieren ist.
Der am 23.09.2020 beschlossene Kabinettsentwurf der Bundesregierung zur Reform des EEG greift das Problem ebenfalls auf. Er sieht vor, dass Betreiber von Ü20-Anlagen - zusätzlich zum schon bisher möglichen Weg der Selbstvermarktung - ihren erzeugten Strom bis Ende 2027 auch weiterhin dem Netzbetreiber zur Verfügung stellen können. Sie erhalten hierfür den „Marktwert abzüglich der Vermarktungskosten". Damit werde sowohl ein Abbau dieser Anlagen als auch ein „wildes Einspeisen“ verhindert, argumentiert das Bundeswirtschaftsministeriums. Der Einspeisevorrang bleibe erhalten. Eine Nutzung von Eigenverbrauchsprivilegien soll allerdings nicht zulässig sein (Pflicht zur Volleinspeisung), es sei denn, die verschiedenen Stromflüsse werden mit einem „intelligenten Messsystem nach dem Messstellenbetriebsgesetz“ abgerechnet.
Nach unseren Überschlagsrechnungen könnten mit einer solchen Lösung PV-Altanlagen mit mindestens 4 kWp Leistung (eine häufige Größe für Einfamilienhäuser) weiter ohne Verlust betrieben werden, sofern sich die resultierenden Entgelt-Zahlung der Netzbetreiber auf mindestens 4,5 Cent/kWh belaufen würde. Ob dieser Wert angesichts der derzeitigen häufig niedrigeren Marktwerte erreicht wird, ist aus unserer Sicht unsicher. Auch bei kleineren Anlagen als 4 kWp oder niedrigerer Entgelt-Zahlung könnten die Zähler-, Wartungs- und Versicherungskosten der Anlagen höher sein als die zu erwartenden Erträge.
Wir haben zum Problem insgesamt noch keine abschließende Position, überlegen aber in folgende Richtung:
1. Kleine PV-Anlagen mit geringem Eigenverbrauch
Die Ü20-Einspeisevergütung kleiner PV-Anlagen (bis einschließlich 7 kWp), welche nicht mit Stromspeichern, Ladestellen für E-Mobilität, Wärmepumpen oder anderen den Eigenverbrauch über den üblichen Haushaltsverbrauch hinaus hochtreibenden technischen Geräten verbunden sind, sollte nach unserem vorläufigen Konzept mindestens den laufenden Kosten des Weiterbetriebs (Wartung/Instandhaltung, Zählerkosten, Haftpflichtversicherung) entsprechen, ggf. plus eines kleinen Aufschlags als Vergütung für den Aufwand des Betreibers. Dies alles sollte als Anschlussförderung in einem unkomplizierten System ohne weiteres Zutun des Anlagenbetreibers organisiert werden, wobei der haushaltsübliche Eigenverbrauch gestattet werden sollte. Der Höhe nach sollten Vorteile aus diesem Eigenverbrauch der Haushalte in der Vergütung pauschaliert Berücksichtigung finden. Alternativ wäre auch eine Volleinspeisung denkbar, wie sie alte Anlagen in der Regel bislang hatten.
2. Größere PV-Anlagen mit hohem Eigenverbrauch
Größere PV-Anlagen dagegen (über 7 kWp), und/oder solche, welche mit Stromspeichern, Ladestellen für E-Mobilität, Wärmepumpen oder ähnlichen Einrichtungen verbunden sind, sollten aus unserer Sicht künftig mehr Verantwortung für einen energiewende- und systemdienlichen Betrieb ihres Anlageverbundes sowie - angesichts erheblicher privater Kostenvorteile aus den Eigenverbrauchsprivilegien - auch für eine gerechte Kostenzuordnung übernehmen. Hier fordern wir eine genaue Zuordnung und zeitlichen Abrechnung der messtechnisch getrennt zu erfassenden Stromflüsse Erzeugung/Eigenverbrauch/Überschusseinspeisung/Fremdstrombezug. So werden die zeitlich schwankenden Marktwerte an die Prosumer weitergegeben und ein systemdienlicher Eigenverbrauch angereizt.
Was die von Ihnen geforderte explizite Förderung des Eigenverbrauchs angeht, ist zumindest fragwürdig, ob und inwieweit die Optimierung hin zur Eigennutzung von Strom und zur Sektorkopplung im eigenen Haus tatsächlich der Energiewende dienlich ist. Auf absehbare Zeit dürfte ein überörtlicher Ausgleich, insbesondere die Nutzung von lokalem Überschussstrom zur zügigen Ablösung der besonders emissionsintensiven Kohleverstromung, deutlich mehr CO2-Emissionen einsparen als beispielsweise die Stromnutzung zu Heizzwecken mittels Heizspirale im eigenen Haushalt oder die als die Optimierung des Eigenverbrauchs über die Zwischenspeicherung selbst erzeugten Stroms in Hausspeichern.
Zugleich ist ein sehr kleinteiliger örtlicher Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch anstelle eines überregionalen in vielen Fällen nicht nur teuer, er frisst auch wertvolle Ressourcen: Es werden insgesamt mehr Speicher und Erzeugungsanlagen benötigt als bei einem zunächst überregionalen zeitgleichen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch. Das letztere System wäre mit deutlich weniger, dafür aber größer dimensionierten und effizienteren Speicher- und Sektorkopplungs-Systemen verbunden; Stadtwerke und Genossenschaften - also kollektive und Formen der Bürgerenergie - könnten die Betreiber*innen sein. Letztlich besteht für uns die Dezentralität der Energiewende in der Erzeugung in der Fläche mit Millionen von Erzeugern in unterschiedlichsten Eigentümerstrukturen - und nicht im zwingend dezentralen Verbrauch um jeden Preis.
Auch bei der Anschaffung eines E-Autos befürworten wir keine Eigenverbrauchs-Vorteile beim Ladestrom. Denn grundsätzlich belasten Eigenverbrauchsprivilegien die Haushaltskassen der übrigen Stromkund*innen. Der Umstieg auf E-Mobilität, den wir nach Verkehrsvermeidung/-reduzierung und Förderung von Bahn und ÖPNV durchaus unterstützen, sollte unserer Ansicht nach mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, wobei wir hier die Förderung der öffentlichen Ladeinfrastruktur als Schwerpunkt ansehen.
Grundsätzlich haben Finanzierungssysteme, die wesentlich auf einer Privilegierung des Eigenverbrauchs aufbauen, erhebliche Umverteilungseffekte zu Lasten übriger Stromkund*innen und öffentlicher Haushalte (EEG-Umlage, Netzentgelte, Konzessionsabgaben etc.). Denn Betreiber*innen von Ökostromanlagen werden im Eigenverbrauch Großteils von den Kosten der Infrastruktur und Systemsicherung der Elektrizitätsversorgung (die sie weiter nutzen und auf die gerade Ökostromanlagen angewiesen sind) auf Kosten Dritter befreit. Gleiches gilt für die Finanzierungskosten der Energiewende (von der sie unmittelbar profitieren). Denn die garantierte 20-jährige EEG-Vergütung von Ökostromanlagen erfolgt über das EEG-Umlagesystem, welches aber systematisch, ebenso wie die anderen genannten Umlagen und Abgaben, auf Basis des Fremdstrombezugs berechnet werden. Diese Finanzierungskosten werden dadurch auf immer weniger Schultern verteilt, u.a. auch auf denen von Geringverdiener*innen in Mietshäusern.
Abschließend möchten wir betonen, dass sich unsere kritische Haltung gegenüber der Privilegierung des Eigenverbrauchs aus der Motivation speist, den Klimaschutzeffekt von Solaranlagen zu maximieren, die Energiewende zu beschleunigen und dabei sozial gerecht zu gestalten. Dabei möchten wir betonen, dass die Privilegierung der Industrie beim Eigenverbrauch und bei der Besonderen Ausgleichregelung des EEG natürlich in punkto unerwünschter Umverteilung ohne Zweifel immer noch das größte Problem darstellt. Dies thematisieren wir im Bundestag seit Jahren und werden dies weiterhin tun.
Weitere Informationen zur Klima- und Energiepolitik der Bundestagsfraktion finden Sie im Dossier „Klimagerechtigkeit“ unter www.linksfraktion.de/klimagerechtigkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Żaklin Nastic