Abwesenheitspflicht der Abgeordneten?
Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin,
jedesmal wenn ich mir die Sitzungen des Dt. Bundestages ansehen, stelle ich mir die Frage;
wozu haben wir über 700 Abgeordnete, wenn bei Sitzungen nur 30 bis 40 Abgeordnete den Sitzungssaal
überfüllen! Sind die Themen die im Bundestag behandelt werden uninteressant, oder Lappalien, über die man nicht zu reden braucht? Oder sind die Wahlkreisbesuche der Abgeordneten so wichtig, weil man am Futtertrog bleiben will?
Wozu haben wir diese vielen Abgeordneten, wenn in Sitzungen nur max 40 Personen anwesend sind.
Hier könnten wir sehr viel Geld sparen und vielleicht eine vernünftige Politik betreiben. Denn dieser Mist der jetzt fabriziert wird, ist ja nicht zum aushalten.
Wo sind die Bezieher von 1000de von Euros, die sich die Taschen vollstopfen mit Geld und Privilegien?
Mit freundlichen Grüßen
A.F.
83254 Breitbrunn
Sehr geehrter Herr. F.
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Anwesenheit von Abgeordneten im Plenum. Tatsächlich bekomme ich diese Frage öfters gestellt, von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Besuchergruppen im Deutschen Bundestag. Gerne beantworte ich sie Ihnen wie folgt.
Der Deutsche Bundestag ist ein sogenanntes Arbeitsparlament. Das heißt die eigentliche Gesetzesarbeit findet nicht im Plenum statt, sondern in den vorgelagerten Gremien wie z.B.: den Arbeitsgruppen, den Fraktionen, den Unterausschüssen und Ausschüssen, den Fachgesprächen und Öffentlichen Anhörungen. Hinzu kommen Gespräche mit Sachverständigen, Bürgern und Journalisten sowie dem Lesen von Gesetzesvorlagen, Änderungsanträgen, Anfragen und Regierungsantworten. In den Plenardebatten werden die Ergebnisse dieser Arbeit lediglich präsentiert bzw. die Argumente der Fraktionen ausgetauscht und so die Öffentlichkeit über die einzelnen Positionen informiert. Deshalb sind bei einer Plenardebatte normalerweise nur die Abgeordneten anwesend, die für das zu debattierende Thema zuständig sind, also Ausschussmitglieder und Fachpolitiker. Ein Beispiel: Wenn im Plenum die Pflegereform debattiert wird, dann sind dort vor allem die Mitglieder des Gesundheitsausschusses vor Ort, dem federführenden Ausschuss in dieser Sache. Ausnahmen bilden grundlegende Debatten, Regierungserklärungen oder Namentliche Abstimmungen. Ein nur halb besetztes Plenum ist also kein Ausdruck von Faulheit und Desinteresse der Abgeordneten, vielmehr zeigt es die Vielfältigkeit der Aufgaben der Parlamentarier außerhalb von Plenarsitzungen, die indes von der Öffentlichkeit selten wahrgenommen werden. In aller Regel gehen die Tage eines Abgeordneten von früh bis spät und sind gut gefüllt, bspw. auch mit Bürgergesprächen und Berichterstattergesprächen in Ministerien, um Bürgeranliegen zu klären. Parallel tagen oft auch Ausschüsse, bspw. Mittwochnachmittag.
Arbeitsparlamente sind neben dem Deutschen Bundestag beispielweise auch das Parlament der Schweiz, der US-Kongress oder das Europaparlament. Das Pendant zum Arbeitsparlament ist das Redeparlament, bei dem die Gesetzesvorlagen überwiegend im Plenum erarbeitet werden. Das englische Unterhaus ist ein Beispiel für das Redeparlament.
Als Bundestagsvizepräsidentin obliegen mir in dieser Legislaturperiode weitere bindende Aufgaben, sodass ich mich in die Ausschuss- und Facharbeit nur noch als stellvertretendes Mitglied einbringen kann. So leite ich zum Beispiel gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestagspräsidium die Plenarsitzungen. Dazu kommen zum Beispiel Termine im Ältestenrat, in der IuK-Kommission sowie Treffen mit Vertretern anderer Länderparlamente.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage gut beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Yvonne Magwas MdB
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages