Frage an Yvonne Magwas von Michael H.
Sehr geehrte Frau Magwas,
ich habe prinzipiell nichts gegen den Grundsatz, wer viel leistet, soll viel dafür bekommen. Und Sie als Berufspolitikerin haben unbestritten ein hohes Arbeitspensum und auch viel Stress. Leider habe ich noch nie verstanden, wieso sich die Berufsgruppe der Politiker, die Höhe der Diäten selbst festlegen kann. Nun glaubte ich meinen Augen nicht, als ich in einem Artikel http://www.welt.de/politik/deutschland/article125069884/Bundestag-beschliesst-hoehere-Diaeten-fuer-Abgeordnete.html las, dass ein Großteil der Mitglieder des Deutschen Bundestages für eine Diätenerhöhung von 10% zugestimmt hat, so auch Sie. Ebenfalls habe ich mit Erstaunen gelesen, dass es bald zu einer Art Automatismus bei der Anpassung der Diäten an das allgemeine Lohnniveau kommen soll. Können Sie mir bitte sagen, wie Sie Ihre Zustimmung moralisch rechtfertigen? Denn wie kann es sein, dass zum Beispiel eine junge Erzieherin, die unbestritten eine hohe Verantwortung trägt und auch großem Stress ausgesetzt ist, nach TVöD http://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/tvoed/sue?id=tvoed-sue-2013i&matrix=1 ein Monatsentgelt von ca. 2200 € bekommt. Bleiben unterm Strich nach Abzug von Sozialversicherung und Lohnsteuer ca. 1600 - 1700 €. Und Sie haben nun einer Erhöhung der Diäten, um 830 € auf 9082 € monatlich zugestimmt. Woran machen Sie die Verhältnismäßigkeit von Arbeit zu Verdienst fest? Ist denn die Arbeit von so vielen Menschen in Deutschland, die im Grunde durch die enormen Steuerabgaben auch Ihre Diäten finanzieren, nichts mehr wert? Ich bitte Sie um Beantwortung meiner beiden Fragen?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hauschild
Sehr geehrter Herr Hauschild,
entschuldigen Sie bitte zunächst die späte Antwort. Für Ihr Schreiben vom 22. Februar 2014 zur Anpassung der Abgeordnetenentschädigung danke ich Ihnen und möchte Ihnen im Folgenden erklären, warum auch ich dem Gesetzesentwurf zugestimmt habe.
Ihre Aussage, dass die Abgeordneten die Höhe Ihrer Diäten selbst festlegen, stimmt so nicht. Mit der Anhebung der Abgeordnetenentschädigung folgen die Mitglieder des Deutschen Bundestages den Empfehlungen einer unabhängigen Kommission und setzen um, was seit 19 Jahren im Gesetz steht. Diese unabhängige Kommission, die Ende 2011 vom Deutschen Bundestag einvernehmlich eingesetzt wurde, hat den Auftrag, Vorschläge für ein transparentes, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechendes Verfahren für die Höhe der Abgeordnetenentschädigung und deren zukünftige Anpassung sowie für die Altersversorgung der Abgeordneten zu erarbeiten.
Die Kommission empfiehlt, die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten zu orientieren. Dies entspricht der bereits seit 1995 geltenden gesetzlichen Regelung. Die Tätigkeit eines Abgeordneten als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans ist nach Auffassung der Kommission am ehesten mit einem Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes vergleichbar. Beide nehmen ihre Tätigkeit unabhängig wahr. Damit ist ein nachvollziehbarer und zuverlässiger Bezugsrahmen gefunden, der den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Orientierung bietet als z. B. die große Bandbreite der Bezüge von freiberuflich Tätigen, Geschäftsführern und Vorständen. Mit dieser Orientierungsgröße erhalten Abgeordnete eine Entschädigung wie Landräte und Bürgermeister mittelgroßer Städte. Dies entspricht der Größe eines Wahlkreises, der etwa 250 000 Einwohner umfasst.
Die Abgeordnetenbezüge haben bisher die von der Kommission genannte Bezugsgröße nie erreicht, da die Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Lichte der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet haben. So gab es beispielsweise in den Jahren 2003 bis 2007 und 2009 bis 2011 keine Anhebung. Gegenwärtig beträgt die Differenz zwischen der Abgeordnetenentschädigung und der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten ca. 830 Euro. Die Aufwendungen für die Abgeordnetenentschädigung betrugen für 2013 ca. 59 Millionen Euro - das sind umgerechnet etwas mehr als 70 Cent pro Einwohner. Sowohl diese vertretbare Pro-Kopf-Belastung als auch die Zurückhaltung in der Entwicklung der Bezüge blieben in der öffentlichen Diskussion allerdings weitgehend unbeachtet.
Es ist richtig, dass ab 1. Juli 2016 die Abgeordnetenentschädigung entsprechend der Erhöhung des Nominallohnindexes des Statistischen Bundesamtes jährlich angepasst wird. Damit ist sichergestellt, dass die Abgeordneten an der durchschnittlichen - positiven wie negativen - Einkommensentwicklung teilhaben, d. h. die Abgeordnetenentschädigung kann steigen, aber auch sinken.
Auch die Altersversorgung wird umfassend reformiert. Das maximale Versorgungsniveau, das frühestens nach einer 26jährigen Mitgliedschaft erreicht wird, sinkt auf 65% der Diät; für den Großteil der Abgeordneten wird sie allerdings bei 20% liegen. Frühestens mit 63 Jahren kann ein ausgeschiedener Abgeordneter die Rente mit Abschlägen beanspruchen. Auf die Altersentschädigung werden jedoch Renten angerechnet.
Sehr geehrter Herr Hauschild,
ich stimme Ihrer Meinung zu, dass sich gute Arbeit lohnen muss. Das gilt für alle Berufsgruppen, auch für Erzieher, die Sie als Beispiel in Ihrem Schreiben anführen. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Tarifautonomie zu stärken. Denn traditionell werden die Tarifverträge von den Sozialpartnern ausgehandelt. Deshalb werden wir beispielsweise den Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes über die bereits dort genannten Branchen hinaus für alle Branchen öffnen. Zudem bedarf das wichtige Instrument der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) nach dem Tarifvertragsgesetz einer zeitgemäßen Anpassung an die heutigen Gegebenheiten. In Zukunft soll es für eine AVE nicht mehr erforderlich sein, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Ausreichend ist das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses.
Den durch sinkende Tarifbindung zunehmend entstandenen weißen Flecken in der Tariflandschaft begegnen wir mit der Einführung eines allgemein verbindlichen Mindestlohns. Durch diesen soll ein angemessener Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichergestellt werden. Zum 1. Januar 2015 wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro. Ab 1. Januar 2017 gilt das bundesweite gesetzliche Mindestlohnniveau uneingeschränkt.
Ich hoffe, mit meinen Ausführungen zur Klärung Ihres Anliegens beigetragen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Yvonne Magwas MdB