Frage an Wulf Gallert von Frank H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Gallert, ich bin Lehrer an einer Förderschule für Lernbehinderte im Landkreis "Börde". Auch in Zeiten der Diskussion über "Inklusion" und "Gemeinsamen Unterricht" halte ich unsere Förderschulen für einen unverzichtbaren Bestandteil des Bildungssystems in Sachsen-Anhalt. Die Erziehungsberechtigten müssen nach meiner Auffassung auch künftig die Wahlmöglichkeit des für ihr Kind optimalen Förderortes ("Gemeinsamer Unterricht" oder "Förderschule") behalten. Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu?
In Erwartung Ihrer Antwort mit freundlichen Grüßen aus Wanzleben! Frank Hursie
Sehr geehrter Herr Hursie,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Wie Sie sicher wissen, setzt sich meine Partei und auch die Fraktion DIE LINKE im Landtag dafür ein, dass allen Kindern alle Bildungschancen offen stehen. Derzeit ist unser Bildungswesen in sozialer Schieflage, in der materielle Armut droht, in Bildungsarmut umzuschlagen und sich so zu vererben. Wir wollen statt Ausgrenzung und „Abschulen“ in vermeintlich geeignetere Schulformen, dass Kinder gemeinsam lernen. Das kann für alle von Nutzen sein. Selbstverständlich gilt das auch für Kinder mit Behinderungen und den sonderpädagogischen Förderbedarfen. Sie sollen das Recht haben, gemeinsam mit anderen Kindern an den „normalen“ Bildungsangeboten teilhaben zu können. Dazu müssen sich aber „Regelschulen“ ändern. Individuelle Förderung, differenzierte Angebote müssen den Schulalltag mehr als bisher bestimmen. In der Fraktion DIE LINKE im Landtag haben wir ein Reformkonzept entwickelt, das über einen längeren Zeitraum angelegt ist und das Ziel verfolgt, ein inklusives Bildungssystem in Sachsen-Anhalt anzusteuern.
Wir sind uns bewusst, dass das ein schwieriger und sensibler Prozess ist. Integrative Bildung darf nicht als Sparmodell missverstanden werden. Für integrative Bildung braucht es Engagement und Professionalität aber auch entsprechende personelle und materielle Voraussetzungen. Wir werden sie nur Schritt für Schritt schaffen können.
Und ich bin der Auffassung, dass die Entscheidung über die Form der Schulbildung eine sehr persönliche Entscheidung der Kinder und ihrer Eltern ist. Sie erfordert verständnisvolle Beratung - Administration wäre fehl am Platze. Deshalb sprechen wir uns in unserem Reformkonzept dafür aus, dass die Kinder und ihre Eltern im gegenwärtigen Entwicklungsstadium des Schulwesens wählen können zwischen integrativen Angeboten und dem Angebot an Förderschulen. Wir wollen aber schon, dass das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen, mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarfen mehr und mehr der normale Weg wird und nicht von Eltern, die dies wünschen, mühsam eingeklagt werden muss. In diesem Sinne haben wir vorgeschlagen, das Verfahren umzukehren: nicht der Besuch der Regelschule bedarf des besonderen Antrags sondern der der Förderschule.
Meine Ausführungen sollen Ihnen zeigen, dass wir in der kommenden Wahlperiode auf die Förderschulen nicht werden verzichten können. Mir ist aber klar, dass, wenn sich integrative Angebote gut entwickeln und angenommen werden, die Schülerzahl der Förderschulen rückläufig sein wird. Das kann u.U. Standortprobleme mit sich bringen, die gemeinsam mit den Schulträgern gelöst werden müssen.
Die Förderschulen für Lernbehinderte stellen noch ein besonderes Problem dar. Sie sind die Förderschulen mit den meisten Schülerinnen und Schülern. Ohne Einzelfälle bewerten zu können, scheint mir doch, dass manche oder mancher nicht an eine LB-Schule müsste und einen regulären Schulabschluss erreichen könnte, wenn an Regelschulen immer alle Schülerinnen und Schüler mit ihren Stärken und Schwächen wirklich angenommen und zielstrebig gefördert würden. Gerade hier wollen wir in der nächsten Wahlperiode mehr tun. Ich hoffe, dass ich Ihnen unsere Position näher bringen konnte. Das Schulkonzept der Fraktion DIE LINKE können Sie auch im Internet nachlesen ( http://www.dielinke-fraktion-lsa.de/fileadmin/Fotos/Konzept2011/1010_Schule.pdf ).
Mit freundlichen Grüßen nach Wanzleben
Wulf Gallert