Frage an Wolfgang Zöller von Claudiac J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Zöller,
Das Thema "Zwangsbehandlung psychiatrisch auffälliger Personen" erweckt starke Emotionen und steht z.B. bei mir persönlich auf einer Stufe mit Hexenverfolgung, Holocaust, Euthanasie im Nationalsozialismus, Ausschaltung politischer Gegner in Diktaturen u.s.w.
Das Thema ist außerordentlich negativ besetzt.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich eindeutig gegen Zwangsbehandlung positioniert.
Es gibt zahlreiche aktuelle Skandale, wo Psychiatrie mißbräuchlich gegen unliebsame "querulatorisch" denkend und handelnde Bürger eingesetzt wurde, z. B. gegen Gustl Mollath oder die hessischen Steuerfahnder.
Es gibt keinen vernünftigen, menschlich vertretbaren Grund, eine Zwangsbehandlung gesetzlich einzuführen.
Das Hamburger Modell, durch das Zwangsmaßnahmen auf ein Zehntel gesungen sind, zeigt, daß es für wirklich relevante Fälle wirksame Alternativen gibt.
Meine Fragen lauten:
Warum wird im Bundestag ein so radikaler, menschenfeindlicher Gesetzentwurf zur Zwangsbehandlung diskutiert, wenn er aktuell verfassungsfeindlich ist und außerdem es mit dem Hamburger Modell eine wirksame und menschliche Alternative gibt.
Wie ist Ihre persönliche Einstellung zu dieser Thematik.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Jurjanz
Sehr geehrte Frau Jurjanz,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage vom 7. Januar 2013, mit der Sie das schwierige Thema der Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen ansprechen.
Gerne gebe ich Ihnen folgende Informationen:
Der Bundesgerichtshof hatte am 20. Juni 2012 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung in zwei Verfahren entschieden, dass es an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung fehlt. Er hat damit zunächst einmal Entscheidungen gefällt, die auf den Schutz der Rechte der betroffenen Patientinnen und Patienten abzielen. Denn eine Zwangsbehandlung betrifft elementare Grundrechte der Patientinnen und Patienten. Sie darf daher nur nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Interessen und insbesondere auch nur auf einer gesetzlichen Grundlage vorgenommen werden.
Durch die Abkehr des Bundesgerichtshofs von seiner bisherigen Auffassung war jedoch eine Situation eingetreten, in der der Schutz von Patientinnen und Patienten ebenfalls nur unzureichend gewährleistet war. Denn das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen konnte dazu führen, dass Patientinnen und Patienten eine solche Behandlung nicht erhalten und dadurch Schaden nehmen.
Der Bundestag hat deshalb am 17. Januar 2013 eine neue gesetzliche Grundlage beschlossen. Eine Zwangsbehandlung ist danach nur als letztes Mittel zulässig, zu dem es keine Alternative geben darf. Zuvor muss immer versucht werden, das Einverständnis des Betroffenen einzuholen. Weiterhin darf sie nur im Rahmen einer stationären Unterbringung erfolgen, eine ambulante Zwangsbehandlung bleibt weiterhin unzulässig. Der Betreuer benötigt außerdem für seine Einwilligung in eine solche Behandlung die Genehmigung des Gerichts.
Sehr geehrte Frau Jurjanz, abschließend möchte ich mich bei Ihnen für Ihre Schilderungen und Anregungen bedanken. Der Gedankenaustausch mit Bürgern dient dazu, Probleme zu benennen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen sowie die Diskussion darüber zu vertiefen. Vorschläge zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und zur Lösung der Kosten- und Finanzierungsprobleme sind daher willkommen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Information weiterhelfen. Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Wolfgang Zöller MdB