Frage an Wolfgang Zöller von Lothar K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Zöller,
ich richte meine Frage an Sie als Gesundheitsexperte. Ich war beim Zahnarzt zur Routinekontrolle.
Wie befürchtet waren die Zähne in Ordnung aber das Zahnfleisch ist behandlungsbedürftig. Mein Zahnarzt teilte mir mit, dass die gesetzliche Kasse unter drei Voraussetzungen die Kosten über- nehmen würde: a) regelmäßige Kontrolluntersuchungen; b) alle Zähne müssen geröntgt werden;c) vor der Zahnfleischbehandlung muss eine professionelle Zahnreinigung erfolgen, die die gesetzliche Kasse aber nicht bezahlt. Bei meinem Zahnarzt kostet diese 85 Euro.
Fragen:
1. Was soll der Unsinn, dass alle Zähne geröngt werden müssen wenn das Zahnfleisch behandelt werden muss? Mein Zahnarzt hat mir bestätigt, dass dies bei einer Zahnfleischbehand-lung völlig überflüssig ist und ich werde mit unnötigen Röntgenstrahlen belastet was mir gar nicht gefällt. Außerdem kostet es unnötig Geld.
2. Wenn eine professionelle Zahnreinigung Voraussetzung für eine Zahnfleischbehandlung ist warum wird diese dann nicht von der gesetzliche Kasse bezahlt? Es gibt mit Sicherheit eine ganze Menge Leute, die finanziell nicht in der Lage sind, 85 Euro für eine solche Behandlung zu bezahlen. Dann kann das Zahnfleisch nicht behandelt werden und die Zähne fallen aus. Wie auch in anderen Bereichen der Gesundheit ist das für mich schwer nachvollziehbar, dass wichtige Vorsorgemaßnahmen nicht oder nicht mehr von der gesetzlichen Kasse bezahlt werden, egal ob das Zahnreinigung, Augendruckuntersuchung oder Knochendichtemessung ist, vor allen Dingen bei denjenigen, die sich das finanziell nicht leisten können. Hier könnte man zum Beispiel die Belastungsgrenze für die Zuzahlungen als Maßstab für die Übernahme der Kosten zugrunde legen.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Kindermann
Sehr geehrter Herr Kindermann,
ich bedanke mich für Ihr Schreiben vom 6. Dezember 2012, in dem Sie Ihren Unmut zur beabsichtigten Parodontitisbehandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) äußern und zwei Fragen hierzu stellen. Gern bin ich bereit, Sie ausführlich zu informieren.
Das Fortschreiten einer entzündlichen Erkrankung des Zahnhalteapparats (Parodontitis) wird durch verschiedene Risikofaktoren beeinflusst. Die bei Ihnen vorgeschlagene Behandlung soll die entzündlichen Erscheinungen zum Abklingen bringen, ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern und somit letztendlich dem drohenden Zahnverlust vorbeugen.
Aufgrund dieser vorliegenden Erkenntnisse wurden in der GKV mit dem Aufbau eines zielgruppenorientierten prophylaktischen Systems die Voraussetzungen dafür geschaffen, die häufigsten Erkrankungen auf zahnmedizinischem Gebiet - Karies und Parodontalerkrankungen - bei entsprechender Eigenvorsorge und regelmäßiger Inanspruchnahme zahnmedizinischer Leistungen weitgehend zu vermeiden bzw. das Fortschreiten entstandener Schäden zu verhindern.
Unabhängig von der Zugehörigkeit zu bestimmten Altersgruppen gehört ferner die eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten zu Beginn einer zahnärztlichen Behandlung und die Entfernung von Zahnstein (harte Zahnbeläge) zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Leistungen können von Zahnärzten als Sachleistung (d. h. über die Krankenversichertenkarte) abgerechnet werden.
Die Kosten für die Entfernung von weichen Zahnbelägen, insbesondere für die professionelle Zahnreinigung (PZR), fallen demgegenüber in den Bereich der Eigenverantwortung und sind von den Versicherten in voller Höhe selbst zu tragen, sofern sie keinen entsprechenden Wahltarif oder keine Zusatzversicherung hierüber abgeschlossen haben.
Nun teilen Sie mit, dass der Zahnarzt Ihr Zahnfleisch (Gingiva), das Bestandteil des Zahnhalteapparats (Parodontium) ist, als behandlungsbedürftig einschätzt. Notwendige Voraussetzung zur Durchführung einer Parodontitisbehandlung sei aber eine PZR. Darüber hinaus sollen vorab alle Zähne geröntgt werden. Diese Maßnahmen betrachten Sie als unsinnig. Sie möchten daher wissen, welche Auffassung ich hierzu vertrete. Zu diesem Sachverhalt möchte ich Ihnen gern folgende Erläuterungen geben:
Alle zahnmedizinisch notwendigen Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Sie umfassen die Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten sowie Vorsorge und den Zahnersatz. Die vertragszahnärztliche Versorgung richtet sich nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 28 Abs. 2 und § 73 Abs. 2 Ziffer 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und den entsprechenden Richtlinien zur vertragszahnärztlichen Behandlung und zum Zahnersatz.
Der Gesetzgeber gibt der gesetzlichen Krankenversicherung die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der (zahn-)medizinischen Versorgung vor. Die Einzelheiten werden je-doch von der gemeinsamen Selbstverwaltung von (Zahn-)Ärzten und Krankenkassen festgelegt.
Wichtigstes Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Neben dem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sind die gesetzlichen Krankenkassen und die Leistungserbringer (Vertragsärzte- und zahnärzteschaft, Vertragspsychotherapeuten und Krankenhäuser) vertreten. Um die maßgeblichen Interessen von Patienten, chronisch Kranken und behinderten Menschen in diesem Gremium zu stärken, haben deren Organisationen auf Bundesebene ein Mitberatungs- und Antragsrecht im G-BA.
Hauptaufgabe des G-BA ist es, in Richtlinien die Inhalte der Versorgung zu bestimmen. Der G-BA trifft seine Entscheidungen in eigener Verantwortung. So beschließt er u.a. die zur Sicherung der zahnärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten (Behandlungsrichtlinie). Diese werden regelmäßig auf ihre Aktualität hin geprüft. Änderungen können von den Verfahrensbeteiligten beantragt werden. Der G-BA kann z.B. Leistungen oder Maßnahmen aufnehmen, einschränken oder ausschließen, wenn nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind.
Alle vom G-BA beschlossenen Richtlinien haben den Charakter untergesetzlicher Normen, d.h. sie gelten für die gesetzlichen Krankenkassen, deren Versicherte und die behandelnden (Zahn-)Ärzte sowie andere Leistungserbringer verbindlich. Sie sind im Internet unter www.g-ba.de einsehbar.
Grundlage für die Parodontitistherapie sind gemäß der aktuellen Behandlungsrichtlinie die Anamnese (Krankheitserhebung), der klinische Befund (Parodontalstatus) und Röntgen-aufnahmen. Der Röntgenbefund erfordert aktuelle, in der Regel nicht älter als sechs Monate auswertbare Röntgenaufnahmen. Die jeweils zuständige gesetzliche Krankenkasse kann vor einer Kostenübernahmeentscheidung diese Unterlagen und den Patienten begutachten lassen.
Regelmäßige Voraussetzung für die durchzuführende Parodontitistherapie ist im Übrigen das Fehlen von Zahnstein und sonstiger Reizfaktoren sowie die Anleitung des Patienten zur richtigen Mundhygiene.
Sehr geehrter Herr Kindermann, ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung besteht, entscheidet allein die zuständige Krankenkasse nach Prüfung der Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls. Wenn Sie mit einer Entscheidung der gesetzlichen Krankenkasse nicht einverstanden sind, können Sie eine aufsichtsrechtliche Prüfung durch die für diese Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde beantragen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, ihnen auf Nachfrage Name und Anschrift der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde zu nennen.
Des Weiteren kann durch Einlegung von Widerspruch gegen eine Entscheidung der gesetzlichen Krankenkasse und bei Nichtabhilfe des Widerspruchs durch fristgerechte Klage vor den Sozialgerichten die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der gesetzlichen Krankenkasse überprüft werden.
Ich hoffe, hiermit weitergeholfen zu haben. Für ggf. weitere Fragen stehen mein Team und ich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Wolfgang Zöller