Frage an Wolfgang Stefinger von Heike S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Herr Stefinger,
Bildung soll kostenlos sein, die Studiengebühren sind inzwischen abgeschafft. Also können alle auf Kosten der deutschen Steuerzahler studieren, egal wie lang, egal wie viele Studienrichtungen. Aber nicht wenige Absolventen drehen Deutschland nach dem Studium den Rücken zu, um in anderen Ländern mit weniger Steuerbelastungen zu arbeiten, Gravierend ist für mich zB die Fluktuation bei den Medizinern.
Daher meine Frage:
Kann man das kostenlose Studium nicht auch mit der Verpflichtung der Studierenden verbinden, dass nach dem Studium 7 Jahre in Deutschland gearbeitet werden muss, um zumindest einen Teil der Kosten in Form von Steuern dem deutschen Staat wieder zurück zu geben?
Vielleicht beantworten Sie ja wenigstens diese Frage von mir...
Mit freundlichen Grüßen
H. S.
Sehr geehrte Frau S.,
haben Sie besten Dank für Ihre Frage. Ich bin davon überzeugt, dass die bestmögliche Bildung für alle der Schlüssel dafür ist, um unserer Gesellschaft gute Entwicklungschancen zu ermöglichen. Berufliche und akademische Bildung sind dabei gleichermaßen wertvoll. Ganz wichtig ist mir, dass gute Bildungschancen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen und dass alle Begabungen optimal gefördert werden. Deswegen begrüße ich es, dass das Erststudium in Deutschland kostenlos ist und dass beispielsweise in Bayern jeder dritte Euro in Bildung und Wissenschaft investiert wird.
Die Gestaltung der Bildungspolitik und die Frage nach Studiengebühren fallen im Übrigen in die Zuständigkeit der Bundesländer. Ihre pauschale Aussage, dass jeder in Deutschland so lange wie er möchte und beliebig viele Studiengänge auf Steuerzahlerkosten studieren kann, ist so nicht zutreffend. Um keine falschen Anreize für ein Langzeitstudium zu setzen, müssen Langzeitstudenten in mehreren Bundesländern gesonderte Gebühren entrichten. Auch für ein Zweitstudium muss in einigen Bundesländern eine Gebühr entrichtet werden.
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ist das wesentliche Förderinstrument für Studenten in Deutschland. Das BAföG wird üblicherweise für den Zeitraum der Regelstudienzeit gewährt, wodurch ein Anreiz gesetzt wird, das Studium in der Regelstudienzeit zu beenden. Der Staat fördert mit dem BAföG also keineswegs Langzeitstudenten.
Die Abwanderung von Ärzten aus Deutschland nach dem Studium ist in der Tat ein Problem. Die Lösung dieses Problems kann jedoch meiner Meinung nicht darin bestehen, Studienabsolventen dazu zu verpflichten, nach dem Studium 7 Jahre in Deutschland zu arbeiten. Eine solche Regelung würde eindeutig gegen die Personenfreizügigkeit verstoßen. Nicht alle Studienabsolventen finden direkt im Anschluss an ihr Studium einen Arbeitsplatz. Manche Berufszweige sind von einer Abwanderung ins Ausland mehr betroffen als andere. Es ist schlichtweg nicht praktikabel, hier staatlicherseits allgemeinverbindliche Vorschriften zu machen.
Aus meiner Sicht ist es notwendig, dass die Arbeitsbedingungen für Ärzte attraktiver werden, um eine Abwanderung ins Ausland zu verhindern. Ein Baustein ist dabei der Masterplan Medizinstudium 2020, den die Bundesregierung in der gerade vergangenen Legislaturperiode verabschiedet hat. Ziel dieses Masterplans Medizinstudium ist es, das Medizinstudium alltagstauglicher zu gestalten. So soll die Allgemeinmedizin im Medizinstudium gestärkt und ab dem ersten Semester vermittelt werden.
Um die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern, können die Länder künftig eine Landarztquote einführen. Dadurch können 10 Prozent der Medizinstudienplätze an Bewerberinnen und Bewerber vergeben werden, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für bis zu zehn Jahre in der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten ländlichen Regionen tätig zu sein. Auf diese Weise ist es möglich, Absolventen des Medizinstudiums in Deutschland zu halten. Wichtig ist aber, dass diese Entscheidung in Einverständnis mit dem Absolventen getroffen wird.
Darüber hinaus muss der Ansatz, Medizinabsolventen in Deutschland zu halten eher darin liegen, die Steuersätze zu reduzieren oder Arbeitszeiten günstiger zu gestalten. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf verweisen, dass CDU und CSU sich eine Steuerentlastung als Ziel für die neue Legislaturperiode vorgenommen haben.
Ein leistungsfähiges Wissenschaftssystem lebt allerdings auch vom internationalen Austausch. Viele der weltweit besten Universitäten und Forschungseinrichtungen befinden sich im Ausland, insbesondere in den USA. Daher ist es grundsätzlich positiv, wenn deutsche Studenten und Forscher einige Zeit dort verbringen, um Erfahrungen zu sammeln und mit den Besten zu arbeiten, zu lernen und zu forschen. Davon kann auch der deutsche Wissenschaftsstandort profitieren. Der Bund hat nicht nur verschiedene Förderprogramme aufgelegt, um deutsche Studenten beim Auslandsaufenthalt, sondern auch, um deutsche Wissenschaftler bei ihrer Rückkehr nach Deutschland zu unterstützen. Speziell an in den USA tätige deutsche Forscher richtet sich das German Academic International Network (GAIN). Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie will mit seiner Initiative „Return to Bavaria“ bayerische bzw. deutsche Leistungsträger im Ausland für eine Rückkehr in den Freistaat begeistern.
Das beste Mittel gegen Abwanderungen von Akademikern ist jedoch ein attraktives Wissenschaftssystem und akademisches Umfeld. Mit dem massiven Etataufwuchs im Bildungs- und Forschungsetat, der Exzellenzstrategie, der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, dem Programm innovative Hochschule und dem Pakt für Forschung und Innovation haben wir dafür gute Voraussetzungen geschaffen. Deutschland hat sich weltweit als eines der attraktivsten Zielländer für Wissenschaftler etabliert. Das zeigen auch die Zahlen ausländischer Studierender und Wissenschaftler in unserem Land, die übrigens auch Steuern zahlen. Daran müssen wir weiterarbeiten. Wir haben aber noch ein weiteres Pfund, mit dem wir wuchern können: Die Wissenschaftsfreiheit, die in vielen anderen Ländern in Gefahr ist. Auch das trägt dazu bei, die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts weiter zu erhöhen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Stefinger, MdB
Dr. Wolfgang Stefinger
Mitglied des Deutschen Bundestages