Frage an Wolfgang Stefinger von Omid M.
Sehr geehrter Herr Stefinger,
im Sommer droht die nächste Abstimmung zu weiteren Hilfszahlungen (Kredite will ich das nicht mehr nennen) für Griechenland.
Bei der letzten Abstimmung stimmten sie, wenn ich das richtig sehe, mit "JA" - also für weitere Zahlungen an Griechenland.
Wenn ich mir ansehe, was in den letzten Wochen, als "Dank", dafür aus Griechenland gekommen ist, klingt das nach blankem Hohn: Herr Varoufakis zeigt Deutschland den Mittelfinger, Herr Tsipras stellt Forderungen nach Reparationen für längst geregelte Angelegenheiten und Herr Kammenos droht Berlin mit 500.000 Flüchtlingen zu überfluten.
Ich will Ihnen hiermit unmissverständlich zu verstehen geben, dass, sollten sie im Sommer erneut mit "JA" stimmen, dies nicht in meinem Interesse ist und sie bei der nächsten Wahl nicht mehr mit meiner Stimme rechnen können.
Besonders die dreiste Forderung der Griechen nach Reparationen stößt mir sauer auf, denn ich habe mit den Verbrechen der Wehrmacht überhaupt nichts zu tun (meine Eltern sind beide nicht in Deutschland geboren). Ich bin zwar in Deutschland geboren, lasse mich deswegen aber nicht pauschal als Nazi beschimpfen!
Unverständlich finde ich, wie Mitglieder der Regierungskoalition sich für die Zahlung von Reparationen an Griechenland einsetzen können. Zu diesem Punkt würde mich Ihre Meinung interessieren.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Mecdiz,
vielen Dank für Ihre Frage bezüglich griechischer Reparationsforderungen. Nach meiner Ansicht sind die Reparationsforderungen, die Griechenland für Vergehen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg fordert, unberechtigt. Niemand stellt in Abrede, dass Griechenland schwer unter der deutschen Besatzung in den Jahren von 1941 bis 1944 gelitten hat. Zum Beispiel haben deutsche Soldaten 1943 in Kalawrita und 1944 in Distomo Kriegsverbrechen unter der Zivilbevölkerung verübt.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Bundesrepublik in verschiedener Form Wiedergutmachung für die materiellen Verluste, die Griechenland während der deutschen Besatzungszeit entstanden sind, geleistet. Am 18. März 1960 einigten sich Griechenland und die Bundesrepublik vertraglich auf eine individuelle Wiedergutmachungszahlung für Opfer der deutschen Besatzung in Höhe von 115 Millionen Mark. Diese Zahlung war an die Zusage geknüpft, dass keine weiteren Forderungen auf individuellen Schadensersatz erhoben werden.
Ansprüche, die Griechenland als Gesamtstaat betrafen, wurden auf der Londoner Schuldenkonferenz im Jahre 1953 bis zum Abschluss eines Friedensvertrages mit Gesamtdeutschland aufgeschoben. Mit dem Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages und der Wiedervereinigung im Jahre 1990 erklärten die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges ausdrücklich, dass dieser Vertrag anstelle eines Friedensvertrages in Kraft tritt. Griechenland hat den Zwei-plus-Vier-Vertrag durch die Unterzeichnung der Charta von Paris als völkerrechtlich bindend anerkannt. Forderungen nach Reparationszahlungen haben damit ihre Grundlage verloren. Darüber hinaus ist es historisch beispiellos, dass 70 Jahre nach Kriegsende Reparationen für im Krieg geleistetes Unrecht gefordert werden.
Vor diesem Hintergrund sind die Reparationsforderungen Griechenlands an Deutschland vor allem ein Ablenkungsmanöver, um Deutschland für eigene innenpolitische Probleme und die desaströse griechische Haushaltslage haftbar zu machen. Es ist beschämend, dass führende Politiker aus den Reihen der Linken, der Grünen und teilweise der SPD bei diesem Spiel mitmachen und sich vor den Karren griechischer Politiker spannen lassen.
Deutschland ist mit Griechenland durch die EU und die NATO zu einer engen Partnerschaft verbunden. Seit dem EU-Beitritt im Jahr 1981 hat Griechenland per saldo 98,3 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt erhalten, den größten Teil aus Deutschland. Zusätzlich hat Deutschland seit 2010 fast 70 Milliarden Euro an Krisen-Bürgschaften für Griechenland übernommen. Deutschland übernimmt also Solidarität für Griechenland, aber ungerechtfertigte Forderungen aus dem Zweiten Weltkrieg sollten wir zurückweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Stefinger, MdB