Frage an Wolfgang Neškovic von Silvie R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Neskovic,
Wir, die Menschenrechtsgruppe des Landschulheims am Solling
in Holzminden haben uns mit dem Thema Rechtsextremismus intensiv auseinander gesetzt und sind bei unseren umfangreichen Recherchen auf den Begriff "Hasskriminalität" gestoßen.
Dabei sind wir auf den Gesetzentwurf (Drucksachen-Nummer 16/10123) des Bundesrates vom 04.07.08 zur Änderung des Strafgesetzbuches in Bezug auf die oben genannte Hasskriminalität aufmerksam geworden.
Wir stehen diesem Gesetzentwurf einheitlich positiv gegenüber und haben durch Herrn MdB Thul erfahren, dass dieser Entwurf bis dato nicht im Bundestag diskutiert wurde. Er hat uns jedoch an den Rechtsausschuss verwiesen. Wir fragen uns, weshalb dieses -aus unserer Sicht- sehr wichtige Thema noch nicht behandelt worden ist. Ist es üblich, dass Gesetzesvorlagen über einen Zeitraum von sieben Monaten unbearbeitet bleiben? Wird man sich in absehbarer Zeit im Rechtsausschuss mit der Vorlage befassen?
Darüber hinaus würde uns interessieren wie Sie bzw. ihre Fraktion dem Thema gegenüber stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Stellvertretend für die Menschenrechtsgruppe
S. Rohr
Sehr geehrte Frau Rohr,
vielen Dank für Ihre Frage.
Seit Jahren steigen die Straf- und Gewalttaten von rechts an, werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer sexuellen oder politischen Orientierung oder ihrer sozialen Lage zu Opfern rechtsextremer Gewalt. Rechtsextreme Gewalt muss deshalb von allen demokratischen Parteien konsequent bekämpft werden.
DIE LINKE. fordert in diesem Zusammenhang:
- Vorhandene Projekte und Initiativen, wie Mobile Beratung und Beratung für Opfer rechtesextremer Gewalt, müssen finanziell gesichert und ausgebaut werden.
- Eine unabhängige Beobachtungsstelle Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus muss eingerichtet werden, um die Beobachtung von NPD und Nazistrukturen nicht nur der eingeschränkten Wahrnehmung des Verfassungsschutzes zu überlassen.
- Die Themen Rechtsextremismus, Demokratiefeindschaft sollen in der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen verankert werden, um im schulischen Bereich besser zu diesen Themen arbeiten zu können.
- Die Förderung von Konzepten der Bildungsarbeit, die sich mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit als Einstellungsmuster in der Mitte der Gesellschaft befassen soll vorangetrieben werden.
Über den von Ihnen angesprochenen Gesetzentwurf zur sogenannten Hasskriminalität hat die Fraktion DIE LINKE. noch keinen Beschluss gefasst. Ich persönlich stehe dem Entwurf eher skeptisch gegenüber. Zwar müssen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus alle Mittel ausgeschöpft werden. Hierzu gehören auch strafrechtliche Instrumentarien. Priorität kommt dabei jedoch ganz eindeutig präventiv wirksamen Maßnahmen zu.
Der gesetzliche Rahmen ist nach meiner Einschätzung für eine angemessene Reaktion der Strafjustiz auf fremdenfeindliche und rechtsextreme Gewalttaten ausreichend. Die vorgesehene Änderung des Strafgesetzbuches halte ich nicht für erforderlich. Der Gesetzentwurf sieht eine Änderung der §§ 46, 47 und 56 des Strafgesetzbuchs vor. Kernelement des Entwurfes ist die Berücksichtigung von "menschenverachtenden, rassistischen oder fremdenfeindlichen Beweggründen und Zielen" bei der Strafzumessung. Solche Beweggründe und Ziele sind aber schon derzeit bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Nach meinem Kenntnisstand werden sie dies auch. Es ist daher zu befürchten, dass sich das Gesetzesvorhaben - wenngleich sicher gut gemeint - in eine Reihe anderer strafrechtlicher Initiativen einreiht, die mit dem Schlagwort "Symbolpolitik" gekennzeichnet werden können. Diese Art der Politik ist nicht nur unnütz, weil sie keine positiven Effekte bringt. Sie ist zugleich schädlich, weil sie vermeintlich den Handlungsdruck von der Politik nimmt und so wirklich wirksame Maßnahmen verhindert.
Weil auch Mitglieder anderer Fraktionen dem Gesetzentwurf kritisch gegenüberstehen, glaube ich nicht (die Entscheidung liegt letztendlich bei den Koalitionsfraktionen), dass der Rechtssausschuss das Gesetzesvorhaben noch vor Ablauf der Wahlperiode abschließend beraten wird. Jedenfalls bedürfte es zu dem Gesetzentwurf noch einer Sachverständigenanhörung. Diese dürfte jedoch angesichts zahlreicher weiterer Anhörungen schon aus zeitlichen Gründen in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu realisieren sein.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Neskovic