Frage an Wolfgang Neškovic von Andreas P. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Neskovic,
Ich konsultiere Sie als Mitglied des Rechtsausschusses mit einer Frage, die die Ankündigung der Anwälte des Neonazis Horst Mahler betrifft den §130 StGB vor dem Bundesverfassungsgericht infrage zu stellen.
Art. 19 Abs. 1 des Grundgesetzes besagt ja, dass Einschränkungen eines Grundrechts nur allgemein erfolgen und nicht partiell erfolgen dürfen. De facto stellt das Verbot den Holocaust zu leugnen ja eine Einschränkung der Redefreiheit dar (obgleich eine vernünftige).
Welche Existenzberechtigung hat Ihrer Ansicht nach §130 III StGB, welcher die Leugnung der Verbrechen des NS-Regimes unter Strafe stellt, angesichts der Tatsache, dass die Leugnung anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit die im Sinne des Gesetzes geeignet wäre das friedliche Zusammenleben zweier Volksgruppen beziehungsweise den öffentlichen Frieden zu stören und das Andenken Verstorbener in gesetzwidriger Weise zu beschmutzen, gesetzlich bislang nicht eindeutig unter Strafe gestellt und bislang kein Fall bekannt geworden ist, dass ein deutsches Gericht auf Basis des §130 StGB allgemein geurteilt hätte, dass eine solche Leugnung gegen das Gesetz verstieße, wozu als Beispiel der türkische Genozid an den Armeniern oder die Verbrechen Stalins genannt seien?
Mit freundlichem Gruß,
Andreas Politschek
Sehr geehrter Herr Politschek,
im Jahr 1994 wurde in § 130 Absatz 3 StGB das Billigen, Leugnen und Verharmlosen des nationalsozialistischen Völkermordes unter Strafe gestellt, soweit es geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Der staatlich organisierte, systematisch und industriell betriebene Massenmord an Millionen europäischer Juden unter dem NS-Regime ist eine geschichtliche Tatsache. Dennoch hat sich seit den 70er Jahren die Leugnung der Shoa zu einem Hauptthema rechtsextremistischer Propaganda entwickelt. Dahinter steht das Bestreben, den Nationalsozialismus historisch zu entlasten und dadurch die extreme Rechte wieder gesellschaftsfähig zu machen. In dieselbe Richtung gehen Bemühungen, durch Vergleiche mit anderen Genoziden in der Geschichte die Einzigartigkeit der Shoa zu relativieren.
Vor diesem Hintergrund schuf der damalige Gesetzgeber den § 130 Absatz 3 StGB.
Das Bundesverfassungsgericht hat schon in mehreren Fällen auf die Norm des § 130 StGB Bezug genommen, ohne jemals Zweifel über die Verfassungskonformität der Vorschrift erkennen zu lassen.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 eine Strafbarkeit wegen Leugnens oder Infragestellens des Holocausts als mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar bezeichnet.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Neskovic