Frage an Wolfgang Neškovic von Stefan R. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Neskovic,
Ich hätte gern Infos über den Standpunkt Ihrer Partei zur l.F. sowie zur Architektur der Tötungsdelikte - sofern hier überhaupt eine einheitliche Position herrscht. Die Verhängung der l.F. beschränkt sich fast ausschließlich auf Taten nach § 211. Dass dieser nationalsoz. Unrechts-P. untragbar ist in einem Staat, der für sich in Anspruch nimmt ein freih.-dem. Rechtsstaat zu sein, muss ich nicht näher ausführen. Selbst die Kohl-R. hat eine Notwendigkeit zur Neuregelung der Tötungsdelikte offen eingestanden. Geschehen ist bis heute nichts - sicher, weil dieser Staat die Mordmerkmale ebenso gut gebrauchen zu können scheint wie seinerzeit die Nationalsozialisten, die sie 1941 aus für sie guten Gründen eingeführt haben (Herrschaftsfunktion des § 211 usw.). Die mehrfach geäußerte Behauptung, es gebe bislang keinen Reformvorschlag, ist schlichtweg falsch. Mir ist zumindest Esers Entwurf sowie der darauf basierende Vorschlag von Weber bekannt.
Der Fall Armin Meiwes hat übrigens gezeigt, dass neben einer Neuregelung der §§ 211 ff. auch die Einführung eines zusätzlichen Privilegierungstatbestandes "Tötung mit Einwilligung" vonnöten ist, der jene Fälle abdeckt, bei denen der Täter das Opfer mit dessen Einverständnis oder gar auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin tötet, ohne dass sie deshalb unter § 216 subsumierbar sind. Wie ist lautet hier Ihre Position?
Argumente gegen die l.F. gibt es unzählige: Die durch sie verursachte Bestrafungsungerechtigkeit sei nur anhand folgenden Beispiels dargelegt: Der Täter A, der im Rahmen 5 eigenständiger H. 5 Menschen tötet, ohne dass ihm in mindestens in einem dieser Fälle ein Mordmerkmal zugeschrieben werden kann, wird zu einer Gesamtstrafe von bis zu 15 J. verurteilt, selbst wenn jede der 5 Einzelstrafen eine F. von 15 J. ist. Der Täter B, der tateinheitlich "nur" 2 Menschen tötet, wird höchstwahrscheinlich gemäß § 212 II mit l.F. bestraft - und mit Sicherheit, wenn es sich um 5 Opfer handelt.
MfG
S. Rockstroh
Sehr geehrter Herr Rockstroh,
haben Sie Dank für Ihre Fragen. Zu meinem Bedauern muss ich Ihnen jedoch mitteilen, dass die von Ihnen aufgeworfenen Fragen innerhalb der Linkspartei und der Bundestagsfraktion zurzeit nicht diskutiert werden.
Demgemäß gibt es auch noch keine Überlegungen zur Änderung der bestehenden Gesetzeslage im Bereich der Tötungsdelikte.
Z.B. unter dem folgenden Link finden Sie das rechtspolitische Grundsatzprogramm unserer Fraktion.
http://www.dagmar-enkelmann.de/fileadmin/user_upload/Positionen/RechtspolitischeGrundsaetzeKurzfassung.pdf
Zurzeit versuchen wir, dieses Grundsatzprogramm zu konkretisieren. Dabei stehen insbesondere Fragen der sozialen Gerechtigkeit (Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips; Formulierung von sozialen Grundrechten) im Mittelpunkt unserer rechtspolitischen Anstrengungen. Eine Reform der - wie Sie es nennen - Architektur der Tötungsdelikte steht bislang nicht im Fokus unserer Überlegungen.
Als ehemaliges Mitglied einer Schwurgerichtskammer weiß ich jedoch, dass hier "Ungereimtheiten" vorhanden sind, die bislang auch von der Rechtsprechung nicht befriedigend gelöst worden sind.
Ich lade Sie daher recht herzlich ein, an unserer Diskussion teilzunehmen und sie durch eigene Vorschläge anzureichern.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Neskovic, MdB