Frage an Wolfgang Neškovic von Marlene O. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Neskovic,
zuerst meine Frage:
was gedenken Sie bzw. Die Linke wegen der Stiefkindproblematik im Rahmen des § 9 Absatz 2 SGB II zu tun? Wie kann man dieses Gesetz rückgängig machen?
Hintergrund:
Seit dem 01.08.06 werden erwerbstätige Stiefeltern im Rahmen des o. gen. Paragraphen zwangsverpflichtet, für ihre Stiefkinder, die im selben Haushalt leben, aufzukommen, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt/zahlen will.
Die Stiefeltern werden falls notwendig bis auf Hartz IV Niveau heruntergerechnet, damit ihr Gehalt auch für die Stiefkinder reicht. Die Freibeträge für die Stiefeltern sind Hartz IV Niveau entsprechend, auch bei voller Erwerbstätigkeit. Familienunterhaltsrechtliche Freibeträge, wie sie die leiblichen, barunterhaltspflichtigen, nicht betreuenden Elternteile erhalten gibt es nicht.
Leibliche Kinder der Stiefeltern, die mit im gleichen Haushalt leben werden automatisch auch auf Hartz IV Niveau gerechnet, damit das Geld für alle reicht. Es kann kein abzugsfähiger, titulierter Unterhaltsanspruch seitens der im gleichen Haushalt lebenden leiblichen Kinder erwirkt werden.
Es gibt nicht mehr die Möglichkeit der Unterhaltsvermutung wie in § 9 Absatz 5 SGB II oder auch im früheren Sozialhilferecht mit erhöhten Freibeträgen und der Absetzbarkeit von zusätzlichen Versicherungen und anderweitigen Verpflichtungen.
Natürlich freut das diejenigen, die keinen bzw. nur durch Druck Unterhalt für ihre leiblichen Kinder zahlen wollen. Man hat ja einen "Dummen" gefunden.
Ich und viele andere Betroffene hoffen darauf, dass diese Gesetzesänderung gekippt wird, aber für viele dauert es zu lange bis es wegen der Normenkontrolle vors Bundesverfassungsgericht kommt. Was in der Zwischenzeit aus den Familien wird - ob man sich trennen muss, weil es finanziell einfach nicht mehr tragbar ist, das interessiert offensichtlich niemanden.
MfG
Marlene Osthege
Sehr geehrte Frau Osthege,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Fraktion DIE LINKE ist sich der Bedeutung des Themas durchaus bewusst. Momentan prüfen wir verschiedene Aspekte von Hartz IV hinsichtlich ihrer verfassungsmäßigen Konformität.
Wir wollen Hartz IV überwinden, da dieses Gesetz in großem Maße unsozial und ökonomisch kontraproduktiv ist. Wir treten ein für eine armutsfeste und repressionsfreie, bedarfsorientierte soziale Grundsicherung. Unter dem Titel „Für Selbstbestimmung und soziale Sicherheit – Strategie zur Überwindung von Hartz IV“ haben wir unsere Vorschläge unterbreitet. Leider gibt es dafür zurzeit keine parlamentarische Mehrheit.
Es gibt allerdings erste Urteile, nachdem die von Ihnen angesprochene Regelung hinsichtlich der „Stiefkindproblematik“ verfassungswidrig ist (Vgl. Sozialgericht Berlin Az. S 103 AS 10869/06 ER). Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.
Daher bleibt Ihnen vorläufig nichts weiter übrig, als den juristischen Weg zu wählen solange es für unsere Position keine parlamentarischen Mehrheiten gibt.
Wir werden weiterhin parlamentarisch und auch außerparlamentarisch alles dafür tun, eine Revision von Hartz IV zu erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Neskovic