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Frage von Richard M. •

Frage an Wolfgang Neškovic von Richard M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Neskovic,

ich freue mich, dass sie den aktuellen Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums ablehnen, da damit der Zugang für finanziell nicht gut gestellte Menschen deutlich erschwert wird.
Glauben Sie, dass auch der Bundestag den Entwurf ablehnen wird?

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Sehr geehrter Herr Möbus,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich gehe davon aus, dass sich Ihre Frage auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts (BT-Drucksache 17/11472) bezieht.

Diesen Gesetzentwurf lehne ich ab.

Die Prozesskostenhilfe für Bedürftige dient der Vermeidung von Klassenjustiz. Sie soll sicherstellen, dass derjenige, der recht hat, recht bekommt, auch wenn er arm ist.

Zukünftig soll der Zugang zur Prozesskostenhilfe drastisch erschwert werden. Die bürokratischen Hürden für die Beantragung von Prozesskostenhilfe werden gezielt so hoch gesetzt, dass eine erhebliche Abschreckungswirkung entsteht. So sollen zukünftig in einem aufwändigen und zeitraubenden Verfahren die Vermögensverhältnisse durchleuchtet und bis auf den letzten Cent ermittelt werden. Hierzu werden den Rechtspflegern staatsanwaltschaftlichsähnliche Ermittlungsbefugnisse eingeräumt. Auch sollen die Empfänger von Prozesskostenhilfe durch die Absenkung von Freibeträgen in stärkerem Maße als bisher an der Finanzierung der Prozesskosten beteiligt werden.

Dabei ist es fraglich, ob die Zugangsbeschränkungen zur Prozesskostenhilfe auf staatlicher Seite tatsächlich zu Einsparungen führen würden. Die Bundesregierung schätzt das mögliche Einsparpotenzial auf maximal 70 Mio. Euro für alle Bundesländer, d.h. auf jedes Bundesland entfällt durchschnittlich ein Einsparbetrag von lediglich 4,4, Mio. Euro pro Jahr. Hiervon abgezogen werden müssen noch die erheblichen Mehrkosten für Personal, um den erhöhten Kontrollaufwand zu bewältigen. Ob nach Verrechnung der dadurch entstehenden Kosten überhaupt noch ein Euro durch die Reform eingespart werden wird, ist selbst zwischen Bundesrat und Bundesregierung umstritten.

Die Politik der Bundesregierung folgt einer zynischen Logik: je weniger Prozesskostenhilfe umso weniger Personalbedarf bei den überlasteten Gerichten.

Bei der Prozesskostenhilfe handelt es sich um ein zentrales Gerechtigkeitsprinzip unserer Verfassung: Der Zugang zu den Gerichten darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein. Durch die geplanten Verschärfungen bei der Prozesskostenhilfe wird dieses Prinzip untergraben. Statt einer Aushöhlung des Rechtsstaates durch die Hintertür wären ein grundsätzliches Umdenken und eine Abkehr vom Sparkurs in der Justiz dringend geboten. Unabhängig von einer Kosten-Nutzen-Rechnung muss eine personell und materiell gut ausgestattete Justiz im Rechtsstaat für jeden - ob reich oder arm - selbstverständlich sein. Nicht kostendeckend muss die Justiz im Rechtsstaat arbeiten, sondern gerecht.

In einer Anhörung im Bundestag in der vergangenen Woche haben auch die eingeladenen Sachverständigen erhebliche Kritik am bisherigen Gesetzentwurf geübt. Es bleibt abzuwarten, welche Veränderungen die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vornimmt.

Jedenfalls gehe ich nicht davon aus, dass die (CDU/CSU/FDP-)Mehrheit der Mitglieder des Bundestages den Gesetzentwurf ablehnen wird. Allerdings haben die rot-grün regierten Bundesländer im Bundesrat eine Gestaltungsmehrheit und können die Reform dort stoppen. Dabei wird sich zeigen, wie ernst es der SPD und den Grünen mit ihren Wahlkampfversprechen für mehr soziale Gerechtigkeit ist. Wenn sie wegen eventueller Einsparungen von wenigen Millionen Euro ein zentrales Gerechtigkeitsprinzip unserer Verfassung aufgeben würden, dann wäre offenkundig, dass ihr gesamter Wahlkampf, der sich dem Thema soziale Gerechtigkeit widmen soll, nicht ernst gemeint ist. Die Wählerinnen und Wähler könnten angesichts dieses widersprüchlichen Verhaltens nicht darauf vertrauen, dass SPD und Grüne ihre Wahlversprechen auch wirklich einhalten werden, wenn sie beim Thema Prozesskostenhilfe schon im Vorfeld des Wahlkampfes derartig versagen.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Neskovic