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Frage von Sigrid A. •

Frage an Wolfgang Neškovic von Sigrid A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Neskovic,

als ich vor nun knapp 2 Wochen Ihre Einlassung zum Vorschlag des Rheinland-Pfälzischen Justizministers, Herrn Jochen Hartloff (SPD) las der sich "Scharia-Gerichte" zur Mediation im Vorfeld deutscher Gerichte "vorstellen kann", dass Sie nämlich angesichts des christkonservativen Protests fanden "gekünstelte Aufgeregtheit" sei hier nicht angebracht, stellten sich mir bis heute die Nackenhaare auf.

Die auf das Reißer-Image abgestellte Besänftigung "Strafen sollten nur deutsche Gerichte aussprechen" in der ZEIT machte es schlimmer. Hauptsache, die Hand bleibt dran und öffentliche Auspeitschungen tabu? Nicht aus pauschaler Islamfeindlichkeit wurde mir blümerant, sondern meine Frage an Sie lautet: Stellen Sie sich eine Scharia-Schiedsstelle für Zivil- und Familienrechtssachen als Reihe malerisch-milder Bärtiger vor? Deren Sprüche kann man nicht anfechten, denn es handelt sich

- um nichtkodierte Exegese von Hadith (über 2000 kanonische Aussprüche des Propheten) und Koran, angewandte Theologie also,

- um ein Menschenbild als Grundlage, das die Ungleichwertigkeit der Geschlechter zum Grundpfeiler hat!

- um eine Rechtsauskunft am Telefon, die zur patriarchalen privaten Kontrolle in Anspruch genommen wird, nicht zum Widerspruch dagegen - das kann die betroffene Frau, der - häufiger Fall - mit der Scheidung das Umgangsrecht für ihre Kinder entzogen wird, ja vor weltlichen Gerichten einklagen!

- Im Vereinigten Königreich hat man bereits Anwendungsbeispiele sammeln können, wie Zeinab Huq, 2009 im linksstehenden "Guardian" schreibt:

http://www.guardian.co.uk/commentisfree/belief/2009/jul/01/sharia-courts-islam

Warum werten Sie als ehemaliger Bundesrichter, als Experte, mit einer souverän wirkenden Abwiegelei eine Rechtsidee auf, nach der "Gott die Männer vor den Frauen ausgezeichnet hat"? Ist parteiübergreifendes Paktieren mit verunsicherten männlichen Wählern das Herumschnipseln am Grundgesetz wert?

Mit besorgten Grüßen
S. Asamoah

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Sehr geehrte Frau Asamoah,

haben Sie Dank für Ihre Frage.

Die Aufregung um die Äußerungen des rheinland-pfälzischen Justizministers Jochen Hartloff habe ich als "gekünstelt" bezeichnet, weil ich von den Medien zu einem Zitat von Herrn Hartloff befragt wurde, in dem dieser lediglich die geltende Rechtslage wiedergegeben hat.

Kritik und Aufregung, die sich an dem Überbringer einer Nachricht (dem rheinland-pfälzischen Justizminister) und nicht an der Nachricht selbst (geltende Rechtslage) abarbeitet, halte ich in der Tat für nicht zielführend.

Die geltende Rechtslage stellt sich im Übrigen wie folgt dar:

Es ist grundsätzlich zulässig, sich für die außergerichtliche Klärung streitiger Sachverhalte auf die Zuständigkeit von sogenannten "Schiedsgerichten" zu einigen. Im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit können sich die Parteien auch auf ein ihren Interessen entsprechendes nichtstaatliches Recht einigen. Dies kann grundsätzlich auch Kirchenrecht oder islamisches Recht sein.

Die Freiheit der Parteien ist allerdings durch den ordre public begrenzt. Die Entscheidung des Schiedsgerichtes darf nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sein. Ein Verstoß gegen die wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts liegt vor, wenn das Ergebnis der Rechtsanwendung mit grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen des deutschen Rechts in einem untragbaren Widerspruch steht. Das ist insbesondere der Fall, wenn Grundrechte tangiert sind. Einen solchen Verstoß haben deutsche Gerichte zum Beispiel bei der "Verstoßung" einer Ehefrau gegen ihren Willen im Wege einer Privatscheidung nach islamischem Recht, der Ausübung der elterlichen Sorge allein durch den Vater, unterschiedlichen Erbquoten für Söhne und Töchter sowie einem Erbverbot bei Religionsverschiedenheit angenommen. In anderen Fällen haben deutsche Gerichte das Ergebnis der Anwendung islamischen Rechts dagegen gebilligt, weil das Ergebnis mit den Kernelementen des deutschen Rechts vereinbar war.

Genau dies habe ich auf eine entsprechende Presseanfrage in einer "pressegeeigneten Form" mitgeteilt (einschließlich der Einschränkung des ordre public).

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Neskovic