Frage an Wolfgang Neškovic von Dirk Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Neskovic,
es wurde ja nun das Gesetz zur Laufzeitverlängerung der Atommeiler durch Bundespräsident Wulff unterschrieben, wobei viele Stimmen und sogar selbst die des Bundestagspräsidenten Lammert laut wurden, daß man die Art des Vorgehens für mehr als fragwürdig halte, zumal hier sogar der Bundesrat bei der Entscheidung außen vorgelassen wurde.
Wenn man sich die Machenschaften der jetzigen Regierung in einigen Dingen einmal anschaut, fragt man sich als “Otto Normal Bürger“, ob für die Damen und Herren Politiker, die dieser Regierung eben angehören, die Verfassung überhaupt existent erscheint.
Mich würde Ihre Meinung, als ehemals hochrangiger Richter am Bundesgerichtshof hierzu interessieren, denn es sind ja nun einige Entscheidungen und Abläufe, die diese Regierung getroffen hat, durch die Medien Publik geworden die mehr als fragwürdig zu sein scheinen.
Inwiefern sehen Sie unsere Freiheitliche Demokratie und den Schutz der Verfassung durch diese Regierung noch gewährleistet ?
Und wie sehen Sie persönlich den Polizeieinsatz von “Stuttgart 21“ , war er wie bei vielen gemutmaßt (im übrigen auch von mir) völlig unverhältnismäßig ?
Zum Thema Hartz 4 und dem Urteil des BverfG haben Sie mir ja schon netterweise geantwortet, wofür ich mich auch nochmal herzlich bedanken möchte.
Für Ihre Stellungnahme bedanke ich mich im voraus und wünsche Ihnen für Ihre weitere Arbeit viel Erfolg und Gesundheit.
Mit freundlichen Grüßen
D. Zander
Sehr geehrter Herr Zander,
haben Sie Dank für Ihre Frage und die guten Wünsche, die ich Ihnen gerne zurückgebe.
Zu Ihrer ersten Frage:
1.Die Nichtbeteiligung des Bundesrates bei der Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke halte ich für verfassungswidrig.
Dies aus folgenden Gründen:
a.Grundsätzlich ist die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 87 c Grundgesetz erforderlich, wenn den Ländern neue Verwaltungsaufgaben im Bereich des Atomrechts übertragen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt eine Übertragung neuer Aufgaben auch dann vor, wenn sich bereits übertragene Aufgaben qualitativ ändern oder wesentlich erweitert werden.
-Durch die bislang gefundene Lösung zum Atomausstieg wurden die Länder als Träger der Überwachungsbehörden für die Zukunft von der Verantwortung der in ihrem Gebiet betriebenen Kraftwerke entlastet. Die Verlängerung der Restlaufzeiten bürdet den Ländern eben diese Verantwortung wieder auf und hätte daher ihrer Zustimmung im Bundesrat bedurft.
-Dazu kommt: Die Länder haben nun auch die Verantwortung erhalten, zu kontrollieren, ob die Betreiber den neuen europäischen "Nachrüstpflichten" (sicherheitstechnische Anforderungen und Pflichten) nachkommen. Die Länder müssen immer älter werdende Kraftwerke nicht nur länger, sondern auch wesentlich intensiver überwachen. Auch dieser erhebliche Mehraufwand an Verwaltungstätigkeit hätte eine Zustimmung der Länder erforderlich gemacht.
b.Der frühere Konsens zum Atomausstieg ist materiell-rechtlich nicht anders zu behandeln als ein Gesetz, das das Betreiben von Atomkraftwerken zwar erlaubte, aber eben zugleich befristet. Diese Befristung ist nun zeitlich hinausgeschoben worden. Grundsätzlich gilt: Die Verlängerung eines befristeten Gesetzes ist als Neuerlass eines Gesetzes anzusehen und muss daher auch alle Anforderungen an einen Neuerlass erfüllen. Zu diesen Anforderungen gehört auch die Beteiligung der Länder, denen mit diesem Gesetz Verwaltungsaufgaben übertragen werden. Anders gesagt: Die Übertragung der Überwachungsaufgaben an die Länder für den Zeitabschnitt nach dem ursprünglichen Austiegszeitpunkt ist wie eine Neuübertragung anzusehen und hätte der Zustimmung durch den Bundesrat bedurft.
2. Zu Ihrer weiteren Frage. Der Polizeieinsatz war eindeutig politisch falsch. Ob er auch rechtlich unzulässig war, kann ich ohne eine belastbare Tatsachengrundlage nur mutmaßen. Auf der Grundlage der Presseberichte spricht Vieles für die Rechtswidrigkeit des polizeilichen Verhaltens. Falls der Einsatz dennoch von den Verwaltungsgerichten für rechtmäßig erklärt werden sollte, gilt: Eine humane Innenpolitik muss nicht immer alles machen, was rechtlich möglich ist.
Meine Sympathie und mein Respekt gehört jedenfalls den Trägern des Protestes gegen S 21. Wenn Sie dem unten stehenden Link folgen, gelangen Sie zu einem Meinungsbeitrag, in dem ich das noch einmal zum Ausdruck gebracht habe.
Mit freundlichem Gruß
Wolfgang Neškovi?
http://www.neues-deutschland.de/artikel/181770.furcht-vor-dem-volk.html