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Frage von Luis Alberto Fernández V. •

Frage an Wolfgang Neškovic von Luis Alberto Fernández V. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

ich schildere Ihnen folgende Sachlage, weil Sie auch Verwaltungsrichter sind.

viele Abgeordnete bezeichnen sich – entgegen dem ausdrücklichen Gebot aus Art. 38(1) GG – als „Staatsvertreter“. Als Volksvertreter – und erst recht als Vertreter bürgerlicher Interessen – betrach­ten sie sich nicht. Das ist bereits der Anfang vom Parteiverrat.

Doch Parteiverrat, so wie er in § 356 StGB legal definiert ist, ist für den üblichen Abgeordneten nichts Verwerfliches, obwohl ein Abgeordneter befugt ist, sein Gewissen bei der Mandatsausübung einzusetzen.

Hinzu kommt das Verhältnis des Abgeordneten zu Gesetz und Verfassung. Ziel des Parlaments ist aus bürgerlicher Sicht, die Verfassung umzusetzen (vgl. Art. 20(3) und (4) GG), darunter die Grund­rechte, die an erster und oberster Stelle des Grundgesetzes – nicht an letzter Stelle – steht. Durch angemessene Gesetzgebung wird dieses Ziel teilweise erreicht.

Diesem Auftrag kommt es allerdings m.E. nicht nach. Vielmehr ist es bemüht, die Umsetzung der verfassungs­mäßigen Ordnung und insbesondere der Grundrechte zu vereiteln. Zur Erreichung dieses Ziels muß es vom Gericht unter massivem Druck gesetzt werden, da von sich aus keine Eigeninitiative hervor­geht. Von alleine verfolgt der „Gesetzgeber“, der oft als Gesetznehmer handelt, dieses Ziel nicht. Beispiele davon sind zahlreich.

Um Wahlberechtigte zu vertreten, muß sich das Parlament in die Lage versetzen, ein ordentliches Mandat auszuüben. Durch die Geschäftsordnung schwächt sich das Parlament so, daß es nicht im­stande ist, für die Mandanten parlamentarisch tätig zu werden. Es übt das Hausrecht nicht aus, son­dern übereignet es der Regierung, die dem Parlament alles andere als Rede und Antwort steht.

Was kann das Parlament tun, um diesen Mißstand, der einen Systemfehler darstellt, zu beheben? Was kann der Bürger tun, um die Parlamentarier zur effektiven Mandatsausübung zu bewegen?

Mit freundlichen Grüßen

Luis Fernández Vidaud

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Sehr geehrter Herr Vidaud,

haben Sie Dank für Ihre Anfrage. Verwaltungsrichter bin ich nicht, war es auch nie. Zuletzt war ich Richter am Bundesgerichtshof und dort mit Zivilsachen betraut.

Für Ihre Kritik benutzen Sie ein sprachliches Bild. Sie vergleichen damit das Verhältnis zwischen Volk und Parlament mit der Beziehung zwischen Mandant und Anwalt. Wie jedes Gleichnis, hat auch dieses logische Grenzen. Das Verhältnis zwischen Mandant und Anwalt ist zumeist eine sehr unmittelbare Vertrauensbeziehung, in der sich detaillierte Absprachen treffen lassen. Demgegenüber dürfte es den Mitgliedern des Bundestages recht schwer fallen, zu jedem ihre Wählerinnen und Wähler unmittelbaren Kontakt zu halten, um die Vertretung derer individueller Interessen sicher zu stellen. Es ist das Wesen der repräsentativen Demokratie, dass die gewählten Repräsentanten in ihrem „Mandat“ zu eigenen Auffassungen gelangen müssen, welche Politik für das Land die beste ist. Dem Verweis auf § 356 StGB vermag ich daher nicht zu folgen.

Ich möchte aber auch an Ihrer Kritik eigene Kritik üben. In ihrer Frage bewerten Sie den Deutschen Bundestag pauschalisiert und ohne Rücksicht auf seine verschiedenen Fraktionen. Sie übersehen daher, dass gerade meine Fraktion, DIE LINKE., den Missbrauch der politischen Gestaltungmacht durch die parlamentarische Mehrheit regelmäßig kritisiert. Wir stemmen uns gegen grundgesetzwidrige Vorhaben. Wir fordern von den Vertretern der anderen Fraktion, ihrem Auftrag zur Kontrolle der Regierung nachzukommen. Wir kämpfen für eine Politik im Interesse der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler: eine freie und sozial gerechte Gesellschaft. Denn genau diese Gesellschaft fordert das Grundgesetz, dessen Beachtung Sie anmahnen. Ich darf Sie einladen, sich meine letzte Rede zu diesem Thema auf YouTube anzusehen.

LINK: http://www.youtube.com/watch?v=fSvH-LWVG0Q

Kurzum: Wenn Sie sich von der Mehrheit des Deutschen Bundestages nicht angemessen vertreten sehen, rege ich eine Veränderung Ihres Wahlverhaltens für die nächste Bundestagswahl an. Denn genau das kann (wie Sie schrieben) „der Bürger tun, um die Parlamentarier zu einer effektiven Mandatsausübung zu bewegen.“

Wolfgang Neškovic, MdB