Frage an Wolfgang Beuß von Lars W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Beuß,
Können Sie mir einmal erklären, wo Heutzutage noch der Sinn und der volkswirtschaftliche Nutzen von so großen Parlamenten ist, wenn sich sowieso alle in Fraktionsraison üben. Daran anschließend würde mich interessieren warum der mündige Wähler nicht alle seine Vertreter selber wählen darf, sondern allenfalls die Hälfte. Die andere Hälfte wird ja von der Politikerkaste gestellt, was meines Erachtens die Kontakte zur Realität dämmt und den Abgeordneten zum prima Ziel von industriellen Einflußnahmen machen läßt.
Soweit von einem Wähler
Lars Werner
Sehr geehrter Herr Werner,
ich danke Ihnen für Ihre Frage zum Thema Demokratie und Bürgerrechte.
Zunächst einmal möchte ich Sie darauf hinweisen, dass die Hamburgische Bürgerschaft als sogen. „Feierabendparlament“ das günstigste Landesparlament der Bundesrepublik Deutschland ist. Die für Sie groß erscheinende Anzahl von 121 Abgeordneten in der Bürgerschaft ist nötig, damit die anfallende Arbeit trotz Berufstätigkeit (in der Regel bis mindestens 16.00 Uhr) bewältig werden kann.
Einen Bindungszwang von Abgeordneten an Partei- oder Koalitionsanweisungen in Form eines Fraktionszwanges oder in Gestalt eines imperativen Mandats gibt es weder im Deutschen Bundestag noch in den Landesparlamenten der Bundesrepublik Deutschland. Dem in unserer Demokratie praktizierten freien Mandat widerspricht es meiner Meinung nach nicht, dass sich die Abgeordneten einer Partei, zum Beispiel im Rahmen von Fraktionssitzungen, bei einzelnen politischen Themen auf eine "gemeinsame Linie" verständigen. Mehrheitsfindungen sind nötig, um am Ende zu Entscheidungen zu gelangen. Das ist ja gerade ein Wesenszug der Demokratie.
Bezüglich Ihrer Anmerkung, dass der Wähler nicht alle seine Vertreter selbst aufstellen kann, möchte ich Sie auf das neue Wahlrecht verweisen. Für die tägliche inhaltliche Arbeit bedarf es in den Fraktionen erfahrene Fachleute auf verschiedensten Gebieten. Gremien, wie zum Beispiel die Fachausschüsse der Hamburgischen Bürgerschaft, können nur effizient und sachorientiert arbeiten, wenn die einzelnen Fraktionen die Möglichkeit haben, ihr Fachpersonal über ein sicheres Mandat erneut in das Parlament einziehen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Beuß