Frage an Winfried Kretschmann von Anne Sophie B. bezüglich Familie
Sehr geehrte Herr Kretschmann,
Seit mehr als 5 Wochen befinden wir uns nun im Lockdown. Unsere Tochter (2 Jahre 9 Monate) geht seit dem nicht mehr in die Kita und wir arbeiten von zu Hause. Wir haben die Maßnahmen mitgetragen, haben niemanden mehr getroffen und sind nur 1-2 Mal in der Woche zum Einkaufen gefahren. Wir haben versucht unserer Tochter zu erklären, warum die Kita geschlossen hat und sie ihre Freunde nicht mehr sehen kann, dass auch der Spielplatz und der Zoo und das Schwimmbad wegen dem Virus geschlossen sind.
Am Anfang fragte sie täglich nach ihren Kita-Freunden und -Erziehern. Jetzt fragt sie, ob das noch ihre Freunde sind. Kinder brauchen Kinder und soziale Kontakte. In diesem Alter verstehen sie solche Maßnahmen nicht.
Ich kann verstehen, dass man eine Einrichtung, wie unsere (über 100 Kinder) nicht so einfach wieder öffnen kann, was ich aber vermisse sind Alternativen, die diskutiert werden. Es klingt immer so als wäre es eine alles oder nichts Entscheidung.
Bisher wurde noch nie in der öffentlichen Debatte angebracht, dass sich Eltern auch selbst in Gruppen, eventuell auch mit manchen Erziehern, organisieren könnten oder Kinder vielleicht auch nur 1-2 Tage die Woche betreut werden könnten. Die Bedürfnisse der Kinder scheinen keine Rolle zu spielen ebenso wie ihre Eltern zu entlasten. Bei Kindern aus prekären Verhältnissen wird gerade mal noch angemerkt, dass es schon schlimm sei. Das ist zu wenig. Unsere Kinder sollten uns mehr wert sein. Ihre Eltern brauchen eine Perspektive. Damit meine ich kein Datum, wann es wieder zurück zur Normalität geht, sondern die Anerkennung des Problems und einen Weg der Analyse bspw. mit Arbeitsgruppen, die sich mit Kleingruppenkonzepten beschäftigen oder einer Gruppe von Forschern, die sich anschauen, welchen Einfluss Kinder in der Verbreitung des Virus überhaupt spielen. Stattdessen wird darüber diskutiert, die Fußballbundesliga wieder starten zu lassen.
Wenn ich lese, dass Ihre Kollegen die Schließung von Spielplätzen als „Pipi-Kacka-Fragen“ (https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/corona-beschluesse-zu-schulen-und-kitas-mehr-pipi-kacka-fragen-wagen-kommentar-a-731443e9-7374-4dac-8bf3-b78b592a3246) abtun, schwindet meine Motivation für das Einhalten der Maßnahmen sehr. Solidarität sollte auch für unsere Kinder keine Einbahnstraße sein.
Wie wollen Sie auf diese Probleme reagieren? Welche Maßnahmen empfehlen Sie? Wie wollen Sie zukünftig auf die Wertschätzung Ihrer Kollegen bei „Pipi-Kacka Problemen“ eingehen? Ihr Wort hat Gewicht.
Mit freundlichen Grüßen
Anne Sophie Berger