Frage an Winfried Kretschmann von Bernd E. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Kretschmann,
das Tierschutzgesetz bezweckt "...aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf, dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen" (§ 1 TierSchG, Grundsatz).
Das Stanzen von Ohrmarken hat keinen vernünftigen Grund, da es die schmerzfreie und fälschungssichere Kennzeichnung der sogenannten Nutztiere mittels Transponder gibt. Der URIA-Hof in Balingen-Ostdorf (www.uria.de) wendet diese tierfreundliche Methode seit 1999 an – auf Anordnung des Landes Baden-Württemberg und mit ausdrücklicher Genehmigung seines Landrates. Seit 2012 ist der Betrieb Opfer administrativer und politischer Machtdemonstration, die sich nur mit profitorientiertem Lobbyismus erklären lässt.
Darum bin ich gegen Zwangsmarken in den Ohren von fühlenden Geschöpfen:
• Ohrmarken verursachen Schmerz – beim Stanzen und durch Ausreißen aus dem Ohr bei natürlicher Bewegung des Tieres.
• Ohrmarken haben keinen vernünftigen Grund – da eine schonende Alternative zur Verfügung steht.
• Ohrmarken sind ein Verstoß gegen das TierSchG – denn der durch sie verursachte Schmerz ist vermeidbar.
• Ohrmarken sind ein Verstoß gegen die EU Vieh-Verkehrs-Verordnung – denn sie sind nicht fälschungssicher.
Welche Position nehmen sie in dieser Sache ein? Sind Sie für die Abschaffung der Ohrmarken-Pflicht (falls eine schmerzfreie Alternative Anwendung findet)? Wird Herr Maier für seinen Hof weiterhin eine Ausnahmegenehmigung durch die Landesregierung bekommen?
Ihrer Antwort sehe ich mit Interesse entgegen
und verbleibe mit freundlichem Gruß
B. E.
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Tierschutzgesetz.
Die Haltung der etwa 280 Tiere im Betrieb URIA e.V. entspricht in den Grundzügen den Tierhaltungsvorstellungen der GRÜNEN: ganzjährige Freilandhaltung der Herde, bestehend aus Bullen, Muttertieren und Kälbern, tierschutzgerechte Betäubung und Schlachtung, Chipping statt Ohrmarken. Das Land Baden-Württemberg und die Fraktion GRÜNE im Landtag unterstützen die Möglichkeit der Chipkennzeichnung von Rindern ausdrücklich.
Die Chipkennzeichnung wäre sinnvoll, da diese, wie Sie bereits schreiben, als praxistaugliche Alternative zur Verfügung steht. Doch die EU-Verordnung 1760/2000 verlangt eingezogene Ohrmarken und koppelt die Betriebsförderung daran.
Das Land Baden-Württemberg hat sich mittels einer Bundesratsinitiative zur Anerkennung der Chipkennzeichnung eingesetzt. Mangels Unterstützung aus den anderen Bundesländern scheiterte unser Antrag jedoch im Februar 2014 im Bundesrat; lediglich Niedersachsen und Schleswig-Holstein stimmten Baden-Württembergs Initiative zu. Weder im Bundesrat noch in der Bundesregierung konnte eine Mehrheit für eine neue Rechtsgrundlage erzielt werden.
Somit ist auf Grundlage der bestehenden EU-Rechtsordnung zu verfahren. Diese schreibt zwingend eine Ohrmarkenpflicht für Rinder zur raschen Rückverfolgbarkeit im Seuchenfall vor. Das Land Baden-Württemberg hat sich an das geltende EU-Recht zu halten und darf in diesem Zusammenhang keine Ausnahmeregelungen gewähren. Sofern Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber der Ohrmarken-Kennzeichnung für Rinder nicht nachkommen, sieht sich das Land gezwungen, entsprechende Sanktionen gegen die jeweiligen Betriebe zu verhängen. Im Falle der nicht rechtmäßigen Umsetzung von EU-Recht durch die zuständigen Landesbehörden drohen sonst erhebliche Strafzahlungen in bis zu zweistelliger Millionenhöhe gegen Baden-Württemberg. Eine Ausnahmegenehmigung ist im Allgemeinen, und auch im Falle des Betriebs URIA e.V., leider nicht möglich.
Ferner sind die Agrarfördermittel der EU an klare rechtliche Voraussetzungen gebunden. Wenn der Betrieb diese in Anspruch nehmen will, ist er im Gegenzug zur Einhaltung des geltenden EU-Rechts. Im konkreten Fall bedeutet dies die Kennzeichnung der Rinder mittels Ohrmarken.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team Kretschmann