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Winfried Kretschmann
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Frage von Martin K. •

Frage an Winfried Kretschmann von Martin K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Kretschmann,

Sie haben im Focus Interview für eine PKW-Maut per Satellitenortung ausgesprochen. Hierbei grenzten Sie ein, dass hierfür ein strenger Datenschutz Voraussetzung sei. Wie soll dieser in Ihren Augen gewährleistet werden? Gerade in einer Zeit, in der der Staat nachweislich nicht verantwortungsvoll mit den Daten seiner Bürger umgeht (man siehe hierzu einmal die Themen Vorratsdatenspeicherung, "Bayerntrojaner", Hackereinbruch auf Server des Zolls, Adressdatenverkauf,... usw.). Der Staat müsste hier in meinen Augen nicht nur Datenschutz, sondern auch für Datensicherheit gewährleisten und entsprechende Konsequenzen für sich selbst setzen - was schon beinahe Rarität in unseren Gesetzen ist. Zum jetzigen Zeitpunkt ist mir nicht ganz klar wie dies ausgerechnet von unserem Staat gewährleistet werden kann.

Sie treffen ferner die Aussage, dass "Lenker einer Dreckschleuder" höher belangt werden sollten. Diese Aussage wäre insofern kein Problem, wenn jeder Bundesbürger das Gehalt eines MdB o. Ä. hätte. Können Sie sich nicht vorstellen, dass sich manche Leute gar kein so neues Auto mehr leisten können?

Die Abwrackprämie hat in meinen Augen dem Gebrauchtwagenmarkt dazu den Rest gegeben. Ein vernünftiges Auto günstig zu erwerben ist vielerorts schon gar nicht mehr möglich, weil es eben keine älteren günstigen Autos mehr gibt. Vergleiche ich die Preise für mein derzeitiges Fahrzeug jetzt und vor drei Jahren, wird für dasselbe Fahrzeug zwischen 1000 und 1500 € mehr verlangt. Wenn sich diese Entwicklung so fortsetzt wie stellen Sie sich dann die Situation für Dreckschleudernfahrer aus finanziell nicht so starken Schichten vor, die damit vielleicht täglich in ihre Arbeit kommen müssen?

Die Abgrenzung auf internationalen oder Urlaubsvekehr ist als Argument nicht gültig. Aus einem einfachen Grund: der Soli sollte auch einmal abgeschafft werden. Was einmal existiert, wird von der Politik auch ausgenutzt - erfahrungsgemäß.

Mit freundlichen Grüßen

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Sehr geehrter Herr Kulla,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Pkw-Maut.

Wie Ihnen sicherlich geläufig ist, ist der Bundesfernstraßenbau seit vielen Jahren massiv unterfinanziert. Allein zur Restfinanzierung der in Baden-Württemberg bereits im Bau befindlichen Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs sind derzeit noch knapp eine Mrd. € erforderlich. Die vom Bund für Baden-Württemberg vorgesehenen Mittelansätze haben zur Folge, dass die Restfinanzierung allein der laufenden Bedarfsplanmaßnahmen somit noch Jahre dauert. Der Finanzbedarf für die übrigen Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs beträgt zusätzliche 3,7 Mrd. €.

Angesichts dieser Situation sind Überlegungen notwendig, wie der Mitteleinsatz des Bundes im Bundesfernstraßenbau auf ein höheres und stabiles Niveau gebracht werden kann.

Die Erhebung einer Pkw-Maut kann dabei neben anderen, bereits etablierten Finanzierungsinstrumenten ein Mittel sein, die chronische Unterfinanzierung der Verkehrswege zu beseitigen. Sie müsste nach meiner Auffassung allerdings sozial gerecht sein, ökologische Lenkungseffekte erzeugen und dürfte nicht zu einer Verkehrsverlagerung in das nachgeordnete Straßennetz führen. Dies ist bei der Pkw-Maut in Form einer Vignette mit einem (ggf. gestaffelten) Pauschalpreis jedoch nicht zu erwarten. Eher geeignet erscheinen strecken- und zeitabhängige Systeme.

Ich bin mir bewusst, dass eine solche Maut wiederum andere ernst zu nehmende Fragen aufwirft, insbesondere nach dem Schutz der persönlichen Daten oder dem Aufwand zur Erhebung. Ich versichere Ihnen, dass der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor einer unverhältnismäßigen Sammlung persönlicher Daten durch staatliche Institutionen sowie die sichere Verwahrung der notwendigen Daten von mir sehr ernst genommen werden. Falls man das Konzept einer strecken- und zeitabhängigen Pkw-Maut weiter konkretisieren will, wird man nach technischen und rechtlichen Lösungen suchen müssen, die eine Abrechnung ermöglichen und gleichwohl das berechtigte Interesse des Einzelnen schützen, wonach die Information, wo sich eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhält, prinzipiell Privatsache ist.

Sie sprechen zudem die Frage an, ob Fahrzeuge mit höherem Schadstoffausstoß stärker belastet werden sollen als andere. Hier habe ich die klare Auffassung, dass eine ökologische Lenkungswirkung unerlässlich ist, wenn über die Einführung einer Pkw-Maut nachgedacht wird. Dabei geht es nicht um die Bestrafung von vermeintlichen Umweltsündern, sondern darum, dass die Beanspruchung der natürlichen Ressourcen sich in unseren alltäglichen Entscheidungen wiederfinden muss, wenn der Weg in eine klima- und umweltverträgliche Zukunft gelingen soll. Selbstverständlich muss dabei gewährleistet sein, dass Alternativen zur Verfügung stehen, die es ermöglichen, sich für ein umweltverträgliches Verhalten zu entscheiden. Es ist der Landesregierung ein wichtiges Anliegen, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken und die Entwicklung intelligenter und vernetzter Mobilitätskonzepte zu unterstützen.

Es sind aber neben der Pkw-Maut auch andere Wege denkbar, um eine ausreichende Finanzierung der Verkehrswege mit nachhaltiger Wirkung sicherzustellen. Die Verkehrsministerkonferenz hat am 5./6. Oktober 2011 in Köln vereinbart, eine Kommission zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung auf politischer Ebene einzusetzen. Die Kommission soll die verschiedenen Möglichkeiten einer dauerhaften und wirkungsvollen Finanzierung der gesamten bundesdeutschen Verkehrsinfrastruktur umfassend prüfen und Empfehlungen aussprechen. Herr Verkehrsminister Winfried Hermann wird Mitglied dieser Kommission sein.

Mit freundlichen Grüßen

Winfried Kretschmann

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