Frage an Winfried Kretschmann von Holger K. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Kretschmann,
ich will mich kurz vorstellen.. ich habe BWL (Schwerpunkt Finanzen) studiert und bin seit 10 Jahren selbstständiger Unternehmer im Finanzbereich und daher auch schon 10 Jahre für meine Mandanten tätig.. bei der Anzahl der Mandanten bekomme ich immer wieder ein gutes Stimmungsbild der Menschen ab... aktuell ist die Lage eher keine gute...
...daher hätte ich heute heute mal eine Frage an Sie:
Da ja nach einer turbolenten Woche an der Börse der DAX etliche Punkte verloren hat und die Probleme sowohl in Amerika wie auch im Euroraum weiter am köcheln sind, ist die Politik bei ihrer vergeblichen Suche nach einer Lösung jetzt auf ein neues kurzfristiges Heilmittel gestossen.. die Euro-Bonds...
...meine konkrete Frage für heute lautet: Was halten sie von den Euro-Bonds?
Ich bin über ihre fachliche Antwort sehr gespannt.
viele Grüße
Holger Kromer
Sehr geehrter Herr Kromer,
Eurobonds sollten aus meiner Sicht als Teil eines Gesamtkonzepts zur Stabilisierung des Euroraums ernsthaft geprüft werden. Mit Hilfe konditionierter Gemeinschaftsanleihen könnten Ansteckungseffekte und Spekulationen gegen einzelne Mitgliedstaaten deutlich vermindert werden. Ein gemeinsamer Anleihemarkt könnte ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung der Eurozone werden.
Ich begrüße deshalb die Ankündigung von Kommissionspräsident Barroso in seiner Rede zur Lage der Union, in den kommenden Wochen Optionen für die Einführung von Eurobonds vorzulegen. Ich stimme mit Kommissionspräsident Barroso darin überein, dass derartige Anleihen natürlich strikte Bedingungen einhalten müssen. Es müsste für die betroffenen Staaten weiter ein Anreiz bestehen, die Verschuldung zurück zu führen und nachhaltige Strukturreformen möglichst schnell und ökonomisch tragbar umzusetzen.
Im Prinzip sprechen wir also von einer Teilkaskoversicherung für notleidende Eurostaaten. Im Gegenzug für die Inanspruchnahme europäischer Solidarität müssen sich die Staaten, die von Eurobonds profitieren wollen, natürlich auch eine stärkere Einflussnahme durch die EU gefallen lassen.
Den Kritikern gemeinsamer Euroanleihen gebe ich zu bedenken: Jede Maßnahme zur Stabilisierung des Euros wird finanzielle Belastungen auch und gerade für Deutschland mit sich bringen. Die angebliche Mehrbelastung aufgrund von Eurobonds kann daher nicht als Argument für deren Ablehnung herangezogen werden. Vielmehr muss die Frage der Wirksamkeit und Tauglichkeit der Maßnahmen zur dauerhaften Beendigung der Krise ins Zentrum der Debatte gerückt werden. Immer weitere Rettungspakete und die weitere Aufstockung der Rettungsschirme haben bislang keinen durchgreifenden Erfolg gezeitigt. Es spricht also manches für Eurobonds.
Allerdings wird dies nicht schnell zu realisieren sein. Vermutlich müssten zum einen die Europäischen Verträge geändert werden und zum anderen müssten diese Anleihen natürlich auch im Einklang mit unserem Grundgesetz stehen. Hinzu kommt, dass derzeit viele Eurozonenländer mit ihrer Verschuldung deutlich über den 60 Prozent der Maastricht-Grenze liegen und auch deswegen rasche Lösungen nicht absehbar sind.
Ich habe mich hierzu auch entsprechend in der Sondersitzung des Bundesrats zur Reform des Euro-Rettungsschirms (EFSF) am 30. September 2011 geäußert.
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Kretschmann