Frage an Winfried Kretschmann von Daniel S. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Kretschmann,
angesichts der drohenden Katastrophe in Fukushima fordern die Grünen heute einen Atomausstieg bis 2020 und ein sofortiges Abschalten besonders alter Atomkraftwerke.
Im Atomkonsens aus dem Jahr 2000 sicherte die damalige rot-grüne Regierung den Energiekonzernen zu:
"(...)Während der Restlaufzeiten wird der von Recht und Gesetz geforderte hohe Sicherheitsstandard weiter gewährleistet; die Bundesregierung wird keine Initiative ergreifen, um diesen Sicherheitsstandard und die diesem zugrunde liegende Sicherheitsphilosophie zu ändern. Bei Einhaltung der atomrechtlichen Anforderungen gewährleistet die Bundesregierung den ungestörten Betrieb der Anlagen. (...)"
Damit hat die damalige Regierung kategorisch ausgeschlossen, dass es in einem Fall wie Fukushima zu einer Überarbeitung von Sicherheitsbestimmungen kommt und dass alte Meiler vorzeitig vom Netz genommen werden können.
Wie erklären Sie diesen Sinneswandel der Grünen? Gab es demnach auch bei den Grünen eine Fehleinschätzung bezüglich der Gefahren von Atomenergie?
Mit freundlichen Grüßen,
Sehr geehrter Herr Stolba,
Die nukleare Katastrophe von Fukushima stellt auch für uns Grüne einen Einschnitt dar. Wir sagen es offen heraus: Dass in einem Hochtechnologieland wie Japan eine parallele Kernschmelze in mehreren Reaktorblöcken begonnen hat, dass die Welt vor parallelen Super-GAUs steht, das war für uns unvorstellbar. Für uns Grüne ist die Konsequenz klar: Wir müssen so schnell wie möglich aus der Atomenergie aussteigen, schneller auch als im rot-grünen Atomausstieg vorgesehen war.
Der Beschluss der GRÜNEN beim Länderrat am letzten Wochenende sieht deshalb einen endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie bis zum Jahr 2017 vor. Das Umweltbundesamt bestärkt uns in unserer Auffassung und hat ebenfalls ausgerechnet, dass der Atomausstieg unter Wahrung der Energiesicherheit und der Klimaschutzziele bis 2017 möglich ist. Die Ereignisse von Fukushima mahnen uns, noch entschiedener, noch engagierter, noch realistischer umzusteuern. Die Zeit ist zu kostbar, um sie mit symbolischen Moratorien zu verschwenden.
Beim Atomausstiegsvertrag haben wir die Sicherheit nicht schleifen lassen, wie Sie es unterstellen. Im Gegenteil. Mit der von Ihnen zitierten Regelung zu den Sicherheitsstandards während der Restlaufzeiten wurde festgeschrieben, dass Atomkraftwerke nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu betreiben sind und dass die Betreiber dazu verpflichtet sind, die "bestmögliche Vorsorge" zu treffen. Das wurde inzwischen in einem Bundesverwaltungsgerichtsurteil auch juristisch bestätigt. Auf dieser Grundlage hat Jürgen Trittin als damaliger Umweltminister mehrfach die Abschaltung von Biblis und von Phillipsburg angeordnet. Außerdem wurde mit dem Ausstiegsbeschluss erstmals gesetzlich eine regelmäßige Sicherheitsprüfung aller AKW (PSÜ) mit festen Terminen vereinbart. Einen Rabatt bei der Sicherheit von Atomkraftwerken hat es unter Rot-Grün also niemals gegeben. Und einen Sinneswandel ebensowenig. Ganz im Gegenteil: Unsere Grüne Forderung war 2000 bereits der Sofortausstieg. Dieser war aber politisch nicht durchsetzbar, vor allem, weil die Eigentumsrechte der AKW-Betreiber dagegen standen. Nach Fukushima ist die Zeit reif: Wir wollen und können das Atomzeitalter in Deutschland in der kommenden Legislaturperiode des Bundestags endgültig beenden.
Den grünen Fahrplan dazu finden Sei im Internet.
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Kretschmann