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Winfried Kretschmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Astrid B. •

Frage an Winfried Kretschmann von Astrid B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kretschmann,

mich interessieren Ihre Antworten auf die folgenden Fragen:

1. GLEICHBERECHTIGUNG VON HOMOSEXUELLEN
In Baden-Württemberg werden Homosexuelle noch immer diskriminiert. So ist in vielen Gemeinden/Landkreisen die Verpartnerung nur im Landratsamt möglich, nicht im Standesamt. Und Landesbeamt/innen wird – im Gegensatz zu anderen Bundesländern - der Ortszuschlag nicht gewährt, wenn der/die eingetragene Lebenspartner/in das gleiche Geschlecht hat. Wie beurteilen Sie diese Zustände? Falls Ihre Partei an der zukünftigen baden-württembergischen Landesregierung beteiligt sein sollte, werden Sie und Ihre Partei diese Diskriminierung abschaffen?

2. GLEICHBERECHTIGUNG VON FRAUEN
Wie wollen Sie die in der Realität noch nicht gegebene Gleichberechtigung von Frauen in Baden-Württemberg vorantreiben? Z.B. mehr Frauen in Führungspositionen – gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer und Frauen

3. BILDUNGSPOLITIK
Welche Maßnahmen wollen Sie im Falle der Regierungsverantwortung ergreifen, damit der Beruf der/des Erzieher/in und Lehrer/in attraktiver wird, so dass z.B. auch mehr Männer erzieherische Berufe wählen und so Verantwortung für Kinder und Jugendliche übernehmen.

4. Als Lehrer/in an einer Schule arbeiten heißt Inhalte vermitteln, Mobbing-Opfer erkennen, Lernschwächen abfedern, ADHS unterstützen, fördern und fordern, unterschiedliche Gesellschaftschichten integrieren, Schüler/innen auf ein Leben im Beruf vorbereiten und das alles unter schwierigen Bedingungen: Klassenstärke 32, ausfallende Kolleg/innen werden nicht ersetzt, weil es keine Krankheitsreserve gibt. Wie wollen Sie diesem veränderten Anforderungsprofil Rechnung tragen, so dass nicht alles auf dem Rücken der Lehrkräfte ausgetragen wird.

Danke + freundliche Grüße
Astrid Blau

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Blau,

über ihre Fragen habe ich mich gefreut, lassen sich doch wesentliche Übereinstimmungen zwischen Ihnen und meiner Partei bzw. meiner eigenen Überzeugungen ausmachen. Gerne antworte ich Ihnen.

zu 1. Homosexuelle

Wir GRÜNEN werden Schluss machen mit jeder Art von Diskriminierung, also auch der von Homosexuellen. Zu den von Ihnen ausgeführten Beispielen der Diskriminierung der eingetragenen Lebenspartnerschaften von Standesamt bis Ortszuschlag hat meine Fraktion erfolglos Anträge in den Landtag eingebracht. Als Bürgerrechtspartei werden wir in der kommenden Legislaturperiode die Gleichstellung von Lesben und Schwulen in Baden-Württemberg, sofern sie den gesetzgeberischen Kompetenzen des Landes unterliegt, umsetzen. Ziel ist eine rückwirkende Angleichung der beamtenrechtlichen Regelungen für diesen Personenkreis an die Regelungen für heterosexuelle Eheleute

Zu 2. Frauen
Gleichstellungspolitik ist eine Querschnittsaufgabe, die gesamtgesellschaftlich umgesetzt werden muss. Trotz mancher Fortschritte ist gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an gesellschaftlichen Ressourcen und politischer Macht noch immer nicht erreicht. Dies werden wir ändern: Wir wollen durch bessere Betreuungsangebote die Mehrfachbelastung von Eltern reduzieren. Und wir werden die Aufstiegschancen von Frauen denen der Männer angleichen – durch Novellierung des Landeschancengleichheitsgesetzes in der Landesverwaltung und an den Hochschulen und durch ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das Personalentwicklungspläne und klare Zielvorgaben beinhaltet. Schließlich werden wir eine geschlechtergerechte Tarifpolitik und existenzsichernde Löhne befördern, denn nur und eigenständige Existenzsicherung schützt Frauen vor finanziellen Notlagen und Altersarmut.

Zu 3. Bildung
Ich setze mich für einen Aktionsplan ein, damit wir möglichst schnell mehr Fachkräfte in den Kindergärten und Kitas haben. Dabei ist auch der Bedeutung männlicher Vorbilder in der Erziehung Rechnung zu tragen. Da der Anteil des männlichen Personals aktuell bei nur 2 Prozent liegt, müssen gezielt junge Männer als Erzieher angeworben werden. Um die Attraktivität des Berufs zu steigern und die Professionalität des pädagogischen Fachpersonals zu erhöhen, setzen wir uns dafür ein, die Studiengänge mit Bachelorabschluss an den Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen zügig auszubauen und auf die Dualen Hochschulen auszudehnen. Auch der Übergang von der Fachschule für Sozialpädagogik zur Hochschule muss erleichtert werden. Außerdem werden wir dafür Sorge tragen, dass die Bezahlung, die Arbeitsbedingungen und berufliche Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten verbessert werden.

Zu 4.
Wir werden die Lehrerinnen und Lehrer durch strukturelle Veränderungen bei ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag unterstützen indem wir Schule von unten gestalten und die Lehramtsausbildung reformieren, indem wir Lehrkräfte gezielt für die Anforderungen und Bedürfnisse der jeweiligen Altersstufen ausbilden, also für die Grundschule, die Mittelstufe und die Oberstufe sowie für spezielle pädagogische Förderung – und nicht wie bisher für die verschiedenen Schularten. Außerdem wollen wir zukunftsweisende Konzepte regionaler Kooperationen zwischen Pädagogischen Hochschulen und anderen Hochschulen in besonderer Weise fördern. Wir treten dafür ein, dass einzelne Lehrkräfte oder auch ganze Schulteams wieder qualitativ anspruchsvolle Fortbildungen erhalten.

Das Schulsystem in Baden-Württemberg ist durch soziale Ungerechtigkeit und Sortierwahn geprägt, was für Eltern, Lehrkräfte und SchülerInnen Stress und Druck bedeutet. Das gegliederte Schulsystem wird der komplexen Lern- und Lebenssituation von Kindern heute nicht mehr gerecht. Deshalb wollen wir eine Schulentwicklung von unten mit den dafür notwendigen Freiräumen realisieren. Eine integrative und inklusive Schule, die Kinder, statt sie zu sortieren, gemeinsam entsprechend ihren individuellen Begabungen fördert, ist keine Utopie, sondern weltweiter Standard. Deshalb wollen wir auch in Baden-Württemberg die Basisschule als innovative und leistungsfördernde Gemeinschaftsschule für alle Kinder einführen – mit individueller Förderung, kleinerem Klassenteiler und einer neuen Lehr- und Lernkultur. Gruppen von eigenständig lernenden SchülerInnen in offenen Räumen prägen das Bild der Schulen, nicht Frontalunterricht hinter verschlossenen Klassenzimmertüren im 45-Minutentakt.

Unsere Schulpolitik setzt zudem darauf, dass die Gemeinden die lokalen und regionalen Herausforderungen und Besonderheiten im Bildungsbereich genau kennen und deshalb gezielt handeln können, auch was die Vernetzung der derzeit parallel laufenden sozialen Hilfesysteme mit einer guten und breit angelegten Schulsozialarbeit angeht.

Ich würde mich freuen, wenn Sie mich und meine Partei bei der Umsetzung dieser großen Projekte unterstützen würden und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Winfried Kretschmann

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