Frage an Winfried Kretschmann von Uwe S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Kretschmann,
auf die Aussage des neuen Bundesinnenminister zum Isalm sagte die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime in Deutschland, Mina Ahadi: „Endlich hat ein deutscher Politiker mal den Mut, klar zu sagen, dass der Islam mit einer aufgeklärten, demokratischen Kultur wie in Deutschland unvereinbar ist. Wir brauchen mehr Politiker, die den aggressiven Islam nicht länger hilflos verharmlosen.“ (Quelle: wiwo.de vom 5.3.2011).
Zudem hat der türkische Ministerpräsident bei seinem Deutschlandbesuch die Integration der türkischen Mitbürger wiederum nicht befürwortet.
Welchen Standpunkt vertreten Sie, der ja u.U. bald die Richtlinien der Politik im Ländle bestimmen könnte.
Gruß und stabile Gesundheit !
Sehr geehrter Herr Stoschus,
Wir wollen mehr Teilhabemöglichkeiten und Chancengerechtigkeit für MigrantInnen und ihre Kinder. Ebenso wollen wir die Einbürgerung erleichtern. Eine wesentliche Basis für gesellschaftliche Integration ist die berufliche Integration. Wir vergeuden viele Potenziale und verhindern viele Lebenserfolge, weil wir die berufliche Qualifikation von MigrantInnen nicht anerkennen und eine Anpassungsqualifizierung erschweren. In Baden-Württemberg leben zahlreiche Fachkräfte, die ihre Kompetenzen nicht in unsere Gesellschaft einbringen und nicht gemäß ihren ursprünglichen Qualifikationen an der Wertschöpfung teilhaben können. Es ist paradox, dass wir einerseits zu Recht den Fachkräftemangel beklagen und lange über Greencard-Modelle diskutieren, während andererseits hoch qualifizierte Frauen und Männer mitten unter uns leben, die wir als ungelernte Kräfte einstufen. ÄrztInnen, die als TaxifahrerInnen, oder IngenieurInnen, die als SachbearbeiterInnen arbeiten – das ist bittere Realität für viele MigrantInnen in Baden-Württemberg. Auch in diesem Punkt wollen wir ein Umdenken und Umsteuern in der Migrationsund Integrationspolitik unseres Landes!
Gerade im öffentlichen Dienst ist eine angemessene Präsenz von Menschen mit Migrationshintergrund ein wesentlicher Schritt zu mehr Teilhabe und zu mehr interkultureller Kompetenz in den Institutionen. Interkulturelle Kompetenz muss ein wichtiges Einstellungskriterium auf allen Ebenen des öffentlichen Dienstes werden. Das Land muss mit gezielten Förderprogrammen und einer entsprechenden Einstellungspraxis deutlich machen, dass MigrantInnen im öffentlichen Dienst willkommen sind.
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sollen ihre Talente in unseren Kindertagesstätten und an unseren Schulen entfalten können. Bisher sind sie klar benachteiligt. Sie erwerben auch bei gleichen Fähigkeiten niedrigere Bildungsabschlüsse und verlassen die Schule deutlich häufiger ohne Abschluss als Kinder deutscher Herkunft. Unser Ansatz der individuellen Förderung ist der beste Weg zu mehr Chancengerechtigkeit im Bildungswesen. Wir fordern eine stärkere Berücksichtigung der Muttersprachen starker MigrantInnengruppen bei der Sprachauswahl an unseren Schulen. In der Lehramtsausbildung sollen „Deutsch als Zweitsprache“ und „Interkulturelle Pädagogik“ zu verpflichtenden Modulen werden. Wir wollen SeiteneinsteigerInnen mit Migrationshintergrund den Einstieg in den beruflichen Schuldienst ermöglichen und parallel dazu eine berufsbegleitende Qualifizierung für alle Schularten anbieten. Wir brauchen Stipendienprogramme für angehende LehrerInnen mit Migrationshintergrund und für die Nachqualifizierung, damit mehr ausländische Abschlüsse anerkannt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Kretschmann