Frage an Winfried Kretschmann von Michael M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Kretschmann,
Sie sind Spitzenkandidat in Baden-Würrtemberg. Deshalb hielte ich es für wünschenswert, Ihre Meinung auch zu Themen zu kennen, die nicht unbedingt zur Landespolitik gehören.
Mich würde interessieren, welche Meinung Sie persönlich zur gegenwärtigen Euro-Krise haben und welche Massnahmen Sie zur Bewältigung dieser Krise für angemessen hielten. Insbesondere würde mich interessieren, ob Sie Euro-Bonds als ein sinnvolles Instrument zur Bewältigung der Krise ansehen.
Mit herzlichen Grüssen
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Müller
Die europäische Währungsunion steht vor einer Herausforderung ohne Präzedenzfall. Die grundlegenden Probleme der Euro-Zone sind mit dem beschlossenen Rettungsschirms keineswegs gelöst. Die weiterhin drohende Zahlungsunfähigkeit von EU-Mitgliedsstaaten zwingt die EU zur Ausgestaltung eines permanenten Krisenmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro. Notwendig ist aus meiner Sicht eine schnelle Bereitstellung von Finanzhilfen im Zuge der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität in Verbindung mit strikten Auflagen und wirtschafts- und finanzpolitischen Anpassungsprogrammen zur Erfüllung des Stabilitätspaktes.
Das Auflegen von Euro-Bonds als gemeinsame europäische Anleihe bis zu einer gewissen Höchstgrenze ist aus meiner Sicht ein geeignetes Instrument, um die Eurozone als Ganzes zu stabilisieren. Insbesondere Deutschland -und Baden-Württemberg –, die aufgrund ihrer Exportabhängigkeit überraschend schnell und stark aus der Krise gekommen sind und von der EU in besonderem Maße profitieren, müssen sich in der Krise solidarisch verhalten und nicht kurzsichtig in die Verteidigung nationaler Eigeninteressen zurückfallen. Es kommt allerdings entscheidend darauf an, wie die Euro-Bonds ausgestaltet werden: Man kann Euro-Bonds durchaus so konstruieren, dass sie nicht zinssteigernd, sondern zinsbegrenzend wirken. Wenn sie so konstruiert sind, dass ein Teil nur durch nationale Anleihen gedeckt werden kann, steigt der Druck auf die Länder, die diese Euro-Bonds in Anspruch nehmen, ihre Haushalte zu konsolidieren und Strukturreformen einzuleiten.
Allerdings muss bei der Bewältigung der Krise auf eine soziale Balance geachtet und die Finanzbranche stärker zur Verantwortung gezogen werden. Wir müssen umgehend eine rationale wirtschaftspolitische Debatte initiieren mit dem Ziel, die Wirtschafts- und Steuerpolitik der EU-Mitgliedstaaten besser zu koordinieren. Die auseinanderdriftende Wettbewerbsfähigkeit in der EU führt sonst zu einer Schieflage, an der Europa auseinanderbricht. Dies muss mit allen Kräften verhindert werden.
Ich werde mich mit meiner Partei allen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dafür einsetzen, dass wir die Krise nutzen zur Weiterentwicklung der Europäischen Union zu einer Wirtschaftsregierung zur Vermeidung von Ungleichgewichten, zur Kontrolle von Vermögenspreisblasen, zur Einhaltung und Reform des Stabilitätspaktes, zur Eindämmung von unfairem Steuerwettbewerb durch ein einheitliches Unternehmenssteuerrecht und Mindeststeuersätze und durch eine präventive Finanzmarktregulierung.
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Kretschmann