Frage an Wilko Zicht von Andreas H. bezüglich Recht
Guten Tag Herr Zicht,
laut Radiomeldungen nimmt die Gewalt bei Fußballspielen -auch in Bremen- immer mehr zu. Wie ist das Problem, Ihrer Meinung nach, zu lösen?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Heinzelmann
Sehr geehrter Herr Heinzelmann,
„lösen“ wird sich das Problem der Gewalt anlässlich von Fußballspielen nie lassen. Es kann - wie bei Kriminalität generell - nur darum gehen, es bestmöglich einzudämmen.
Im Vergleich zu früheren Zeiten gelingt dies in den letzten Jahren gar nicht so schlecht. Insbesondere Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre war die Gefahr, in oder am Weserstadion ohne eigenes Zutun in Ausschreitungen zu geraten, ungleich höher als heutzutage. Der wesentlich größere Frauen- und Familienanteil im Publikum zeigt ebenfalls, dass heute niemand mehr den Stadionbesuch als gefährliche Angelegenheit fürchten muss. Das war früher anders. Diese - langfristig gesehen - positive Entwicklung verdanken wir nicht nur einer professionelleren Polizeiarbeit, sondern nicht zuletzt auch den sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekten.
Gleichwohl ist es auch mein Eindruck, dass in einigen Fanszenen des Landes in den vergangenen Jahren wieder jene Kräfte an Einfluss gewonnen haben, die gewalttätigen Auseinandersetzungen alles andere als abgeneigt sind. Dies geht einher mit einer Verhärtung des Feindbilds „Polizei“ in weiten Teilen der Fanszenen. Die richtige Reaktion hierauf kann meines Erachtens daher nicht in noch härteren repressiven Maßnahmen liegen. Stattdessen muss die Polizei versuchen, durch ein stärker kommunikatives und differenziertes Vorgehen verloren gegangenen Respekt zurückzugewinnen. Nur so können wir die wichtigen Selbstregulierungskräfte in den Fankurven stärken, indem wir der Tendenz entgegenwirken, dass sich friedliche Fans im Zweifel mit Gewalttätern solidarisieren.
Konkret in Bremen funktionieren die Selbstregulierungskräfte der Fanszene glücklicherweise besser als in manchen anderen Bundesligastädten. Die meisten hiesigen Ultragruppen haben ihr Verhältnis zur Gewaltbereitschaft in der jüngeren Vergangenheit gründlich überdacht und einige problematische Verhaltensweisen wie das „Abziehen“ von gegnerischen Ultras weitgehend eingestellt.
Mehr Sorgen machen mir die Andeutungen des SPD-Innensenators Mäurer, künftig bei der polizeilichen Begleitung von Gästefans noch mehr auf strikte Fantrennung zu setzen, an der Westseite des Weserstadions eine abgesperrte Zone für Gästefans zu errichten und ihnen eine individuelle Anreise zum Stadion zu verwehren. Bei wirklich brisanten Risikospielen mag das im Einzelfall ausnahmsweise gerechtfertigt sein, aber wer Fußballfans pauschal als Sicherheitsrisiko behandelt, trägt selbst zu den Problemen bei, die er zu bekämpfen vorgibt.
Soweit in aller Kürze meine Meinung zu diesem vielschichtigen Thema. Wenn Sie noch Rückfragen haben, stehe ich dafür gerne zur Verfügung.
Freundliche Grüße
Wilko Zicht