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Wilko Zicht
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Frage von Matthias B. •

Frage an Wilko Zicht von Matthias B. bezüglich Energie

Lieber Wilko,

welche konkreten gesetzlichen Möglichkeiten bestehen eigentlich, um die Kosten für alle Risiken eines AKWs (also inklusive einer Versicherung auch für einen GAU) sowie die Kosten für die Jahrtausende lange Endlagerung von Atommüll den Betreibern aufzuerlegen?
Bislang tragen Bund und Ländern hier die Kosten, mit Steuergeldern wird Atomstrom also massiv subventioniert.

Wie bewerten Sie ein "Ausstiegsszenario" welches 10-15 und mehr Jahre dauern soll? Je nachdem wie wieviele neue AKWs weltweit noch in Betrieb genommen werden, sind die Uranvorkommen in 20-30 Jahren erschöpft. Ein "Ausstieg" erst zu einem Zeitpunkt wenn es kein Uran gibt ist gar keiner.

Welche gesetzlichen Möglichkeiten bestehen, um in Deutschland ansässige Unternehmen haftbar zu machen, wenn sie sich an Planung, Aufbau, Betrieb, usw eines Kernkraftwerks irgendwo in der Welt beteiligen, und dessen produzierter Atommüll eine Gefahr für Mensch und/oder Umwelt ist (bzw ein Unfall geschieht)?

viele Grüße,
Matze

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Matthias,

vielen Dank für diese spannenden Fragen zum Thema Atomenergie!

Nach geltender Rechtslage ist die Deckungssumme für die Haftpflichtversicherung von AKW-Betreibern auf 2,5 Mrd EUR begrenzt. Bei einem Super-GAU in Deutschland würde der Schaden aber schnell in die Billionen gehen (von den noch viel schlimmeren immateriellen Schäden ganz zu schweigen). Der AKW-Betreiber wäre in diesem Fall sofort insolvent. Die Opfer würden nicht einmal eine angemessene Entschädigung erhalten, weil weder der Staat noch irgendeine Versicherung einspringt.

Was die Endlagerung angeht, so gibt es schon jetzt die sog. Endlagervorausleistungsverordnung, nach der die AKW-Betreiber vorab Beiträge für die Planung und Errichtung eines Endlagers entrichten müssen. Diese Beiträge sind aber natürlich bei weitem nicht geeignet, eine Endlager-Finanzierung so lange sicherzustellen, bis der Atommüll nicht mehr auf gefährlichem Niveau strahlt.

Würde man die Deckungssumme auf ein angemessenes Maß anheben und die AKW-Betreiber zwingen, sofort Rückstellungen für eine jahrtausende dauernde Endlagerung zu bilden, wäre Atomenergie auf einen Schlag nicht mehr bezahlbar. Obwohl damit lediglich ein Teil der verdeckten Subventionierung der AKWs beendet würde, nichts weiter.

Allerdings würde sich auf dem Weltmarkt kein Versicherungsgeber finden lassen, der eine so hohe Summe abdecken könnte. Und die erforderlichen Endlager-Rückstellungen würden die Betreiber in den sofortigen Ruin treiben. Eine entsprechende Gesetzesänderung wäre darum praktisch gar nicht umsetzbar. Eher denkbar wäre es da, Staaten mit AKWs dazu zu verpflichten, Rückstellungen zu bilden für den Fall eines GAUs, der auch in Schäden in Nachbarländern anrichtet. Aber da solche internationalen Vereinbarungen nur im Konsens getroffen werden können, ist auch das völlig illusorisch.

Trotzdem ist es natürlich eine wichtige Erkenntnis, dass auch bei streng marktwirtschaftlicher Betrachtung die Nutzung der Atomenergie purer Wahnsinn ist. Wir müssen so schnell wie möglich aus dieser Technologie raus, nicht erst in 10-15 Jahren. Wir Grüne wollen einen Ausstieg innerhalb der nächsten Bundestagswahlperiode, also bis spätestens 2017. Zum einen, weil es aus heutiger Sicht möglich erscheint, mit einigen Anstrengungen bis dahin den Anteil der Atomkraft am deutschen Strombedarf durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Zum anderen, weil wir es nicht noch einmal erleben wollen, dass eine andere Regierung den vorgesehenen Ausstiegszeitplan wieder zunichte macht. Ich finde es sinnvoller, ein ehrgeiziges Ausstiegsziel vorzugeben, das notfalls später nach hinten korrigiert werden muss, als einen großzügigen Zeitraum, der bei bloßer Fortschreibung der aktuellen Entwicklung mühelos erreichbar erscheint und darum keinen wirklichen Druck erzeugt, die Energiewende mit aller Kraft weiter voranzutreiben.

Was die Uran-Vorkommen angeht, bin ich skeptisch, ob sich die von Ihnen zitierten Schätzungen als zutreffend herausstellen werden. Bzgl. der weltweiten Ölvorkommen sind ja auch immer wieder seltsame und widersprüchliche Zahlen im Umlauf. In beiden Fällen gilt aber, dass man im Laufe der Zeit einen immer größeren Aufwand betreiben muss, um an die noch verbleibenden Vorkommen heranzukommen und neue zu entdecken, so dass allein hierdurch diese Energieform immer teurer wird. Dies ist ein weiterer Grund, der aus wirtschaftlicher Sicht gegen die Atomenergie spricht.

Ein Verbot von Beteiligungen deutscher Firmen an ausländischen AKWs käme für mich nur in Frage, wenn dies über bloße Symbolpolitik hinaus tatsächlich dazu führen würde, dass weltweit weniger AKWs gebaut werden. Das sehe ich nicht, würde mich aber liebend gerne vom Gegenteil überzeugen lassen. Anderenfalls ist den vielen betroffenen Beschäftigten im Maschinenbau etc. der Wegfall ihres Arbeitsplatzes weder vermittelbar noch zumutbar. Allerdings darf es keinerlei Subventionen aus öffentlicher Hand für derartige Geschäfte geben. Die erste rot-grüne Bundesregierung hatte darum staatliche Bürgschaften und ähnliche Fördermaßnahmen strikt verboten. Der Einfallsreichtum deutscher Unternehmer hat aber leider das eine oder andere Schlupfloch aufgedeckt. Diese wollen wir so schnell wie möglich schließen. Da von Union und FDP derartiges nicht zu erwarten ist, werden wir aber wohl noch bis zur nächsten Bundestagswahl warten müssen.

Beste Grüße
Wilko Zicht