Frage an Wilko Zicht von Andreas K. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Zicht,
als Fußball-und Werder Fan bin ich über Ihre Äußerungen gegen die Bremer Polizei entsetzt. Im Rahmen von Stadionbesuchen habe ich immer wieder erlebt, wie stark alkoholisierte und aggressive Fans Passanten und Polizisten beschimpften und gewaltigtätig wurden, ganz zu schweigen vom Daueruriniieren in die Vorgärten der Anwohner. Wenn ein Fan sichtbar alkoholisiert ist, müssen alle anderen Bürger vor diesen mental weggetretenen Krawallmachern geschützt werden.
Jetzt aber zu meiner Frage: Wie stehen Sie dazu, dass die notwendigen und leider durch das Verhalten der Fußballfans aufwendigen Polizeieinsätze zumindest zum Teil durch den Verein SV Werder bezahlt werden müssen. Die Finanzlage Bremens ist durchaus existenziell und so kann doch ein Bundesligaverein jährlich durchaus zwischen 2-3 Millionen (Jahresgehalt eine Durchschnittsspielers) an Bremen für dessen Aufwendungen abzwacken.
Hinsichtlich Ihrer Grundeinstellung zu Polizeieinsätzen würde mich interessieren, wie Sie und ihre Partei gezielt gegen die in Bremen stark verbreitete Clan-Kriminalität vorgehen werden.
Danke im Voraus für Ihre Antwort. Es grüßt ein Hastedter Mitbürger.
Sehr geehrter Herr Krause,
in der Saison 2008/2009 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) sind in der 1. und 2. Bundesliga zusammen rund 1,5 Mio Einsatzstunden von Polizeibeamten angefallen. Geht man von einem Stundensatz von ca. 50 EUR aus, hat dies den Staat also grob 75 Mio EUR gekostet. In der gleichen Saison haben die Vereine der ersten und zweiten Liga aber Steuern in Höhe von weit über einer halben Milliarde Euro an den Fiskus abgeführt. Man kann den Vereinen also nun wirklich nicht vorwerfen, dem Gemeinwesen durch den Spielbetrieb mehr Geld durch Polizeieinsätze zu kosten als in Form von Steuern wieder zurückfließt. An der Finanzierung der Fanprojekte, die ein wichtiger Teil der Gewaltprävention bei Fußballspielen sind, beteiligen sich DFB und DFL zudem mit einem Drittel der Kosten.
Davon abgesehen ist Polizeiarbeit eine öffentliche Aufgabe, die nicht von der Geldbörse der Betroffenen abhängig sein darf. Wenn ein Gastwirt künftig für die Kosten eines etwaigen Polizeieinsatzes gerade stehen müsste, weil eine öffentliche Feier ohne sein Zutun aus dem Ruder gelaufen ist, dann wäre das Abend- und Nachtleben in unserer Stadt um einiges langweiliger. Insbesondere Freimarkt, Osterwiese etc. wären in ihrer jetzigen Form undenkbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bremer Fiskus ohne diese Veranstaltungen besser dastünde.
Trotzdem sind die erwähnten Kosten für Polizeieinsätze bei Bundesliga-Spielen (in Bremen übrigens knapp 2,5 Mio EUR pro Saison) natürlich so enorm hoch, dass wir überlegen müssen, wie wir hier sparen können, ohne die Sicherheitslage zu beeinträchtigen. Meiner Meinung nach können die Einsätze bei Spielen gegen Vereine, zu deren Anhängern seitens der Bremer Fans keinerlei Rivalitäten oder im Gegenteil gar freundschaftliche Beziehungen bestehen, durchaus eine Nummer kleiner ausfallen als dies aktuell üblich ist. Augenscheinlich werden die Erkenntnisse und Einschätzungen der Szenekundigen Beamten und der Sicherheitsbesprechungen mit den Vereinsvertretern immer noch nicht angemessen bei der Einsatzplanung genutzt. Das ist allerdings kein exklusiv Bremer Problem: Erst am Karsamstag habe ich mich über ein völlig überdimensioniertes Polizeiaufgebot in Hamburg geärgert, obwohl angesichts der allgemein respektvollen bis freundschaftlichen Beziehung zwischen Werder- und St.-Pauli-Fans keine Randale zu befürchten waren. Da wurde sehr vielen Polizeibeamten unnötigerweise ihr wohlverdientes Osterwochenende genommen.
Was den sog. Miri-Clan angeht, so sind die Versäumnisse aus früheren Jahren leider nicht mehr ungeschehen zu machen. Seit einiger Zeit wird das Problem aber entschiedener angegangen, und zwar in enger Zusammenarbeit von Polizei, Sozialbehörden und Finanzämtern. Das ist wichtig, weil eine intensive Betreuung der auffälligen Familien durch Sozial- und Jugendämter weit mehr bewirken kann als die bloße Kriminalitätsbekämpfung durch Polizei und Gerichte. Und das Aufdecken von Geldwäsche und ähnlichen Delikten tut den Betroffenen oft mehr weh als die Strafen für Körperverletzungen oder für Verstöße gegen des Betäubungsmittelgesetz.
In einer Stern-TV-Sendung hat kürzlich ein anonymer Bremer Polizist behauptet, die Polizei würde sich von den Miris einschüchtern und von der Arbeit abhalten lassen. Das wäre in keiner Weise zu akzeptieren. Die Polizeiführung hat dies zwar umgehend dementiert, ist in dieser Frage aber natürlich befangen. Auch die von mir befragten Polizeibeamten in meinem Bekanntenkreis haben die Aussagen aus der Stern-TV-Sendung nicht bestätigen können. Trotzdem werden wir hier sicherlich wachsam bleiben müssen.
Eines möchte ich aber auch ganz deutlich sagen: Nur ein Teil des sog. Miri-Clans ist bisher straffällig geworden. Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler machen, pauschal alle Mitglieder der Großfamilie als Kriminelle zu stigmatisieren. Nicht nur, weil das kontraproduktiv wäre. Sondern auch, weil jeder das Recht hat, frei von jeder Sippenhaft als untadeliger Bürger behandelt zu werden, solange er sich nicht durch eigene Taten etwas zu schulden kommen lässt. Und das ist auch gut so.
Freundliche Grüße
Wilko Zicht