Frage an Wilko Zicht von Gabriele D. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
1. Es liegen Gutachten vor, die Bremens realen Ausgaben pro Schüler ermittelt haben.
Während staatlichen Schulen dieses Geld voll zur Verfügung gestellt wird, müssen sich Kinder an Schulen in freier Trägerschaft mit (meines Wissens nach) etwa 60% Zuschüssen begnügen. Freie Schulen sind so gezwungen, Schulgelder zu erheben.
Wie stehen Sie dazu, dass Eltern trotz gleicher Steuerpflicht /-zahlung, wenn sie von ihrem Erziehungsrecht Gebrauch machen und für ihre Kinder eine andere Schulform wählen, so für die Ausübung ihres Rechts auch noch doppelt benachteiligt werden? Welche Vielfalt an Schulformen streben Sie an, um zu gewähren, dass das individuelle Kind im Zentrum seiner Schullaufbahn steht, anstatt von außen aufoktruierte Erwartungen?
2. Zur Zeit wird viel über Entlastung von Familien gesprochen. Dabei handelt es sich gewöhnlich um die Schaffung neuer Einrichtungen für die Betreuung von Kindern berufstätiger Eltern. Wie stellen Sie sich (im Sinne des gleichen Rechts für alle) die Entlastung der Familien vor, die es für richtiger halten zur besseren Unterstützung ihrer Kinder zu Hause zu bleiben (Eine Einschätzung, die übrigens sowohl vom besseren Gedeihen der Kinder, als auch von vielen Lehrern bestätigt wird - nicht zuletzt, weil das von Schulen geforderte erhöhte Elternengagement nicht selten gerade von diesen Familien erbracht wird)? Wie stellen Sie sich die gesellschaftliche Anerkennung einer solchen Erziehungsarbeit vor?
Sehr geehrte Frau Dathe,
würde der Staat Privatschulen in gleichem Umfang wie staatliche Schulen finanzieren, stellte sich die Frage, warum man überhaupt noch staatliche Schulen braucht. Ich glaube nicht, dass ein diskriminierungsfreier Zugang für Angehörige aller sozialen Schichten mit Privatschulen ähnlich gut möglich ist wie mit staatlichen Schulen. Privatschulen sollten daher in meinen Augen die Ausnahme bleiben. Probleme des staatlichen Schulsystems müssen innerhalb des Systems angegangen werden, nicht indem man Anreize zum Wechsel auf Privatschulen schafft. Auch und gerade an den staatlichen Schulen muss die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes, die Sie völlig zurecht anmahnen, im Vordergrund stehen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Wie Sie vielleicht wissen, plant die schwarz-gelbe Bundesregierung, ab 2013 Eltern, die ihre Kinder nicht in einer öffentlichen Kindertagesstätte betreuen lassen, eine Geldprämie zu zahlen, das sogenannte Betreuungsgeld. Meines Erachtens muss der Staat aber grundsätzlich davon ausgehen, dass die jeweiligen Eltern am besten wissen, welches Erziehungskonzept das richtige für ihre Kinder ist. Ich finde die Erziehungsleistung in beiden Fällen gleichermaßen anerkennungswürdig. Dementsprechend bin ich sehr dafür, allen Eltern die Wahlfreiheit zu lassen. In diese Wahlfreiheit greift aber das geplante Betreuungsgeld ein, indem es ein bestimmtes Erziehungskonzept finanziell fördert. Dadurch wird keine Gleichbehandlung erzielt, sondern im Gegenteil erst eine Ungleichbehandlung geschaffen.
Hinzu kommt, dass in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit ein Anreiz für Eltern, nicht arbeiten zu gehen, dazu führen würde, dass mehrheitlich die Mütter statt der Väter auf eine Erwerbstätigkeit verzichten würden. Die mit dem längeren Ausscheiden aus dem Berufsleben einhergehenden Risiken würden daher vor allem von Frauen getragen werden. Auch darum lehne ich derartige Anreize ab.
Freundliche Grüße
Wilko Zicht