Wie sollen Long Covid-, Post Covid-, Post Vac- und ME/CFS-Erkrankte (ca 200 Millionen allein in Deutschland) gesund werden, wenn kein Geld für Forschung und Therapien bereitgestellt wird?
Sehr geehrte Frau Esdar,
Die Pandemie ist für viele Langzeiterkrankte noch lange nicht vorbei und wird es vielleicht nie werden, da es zu wenig bis gar keine Daten, Studien, Medikamente und Kompetenzzentren zur Behandlung gibt. Es wurden 600 Milliarden Euro für die Bekämpfung der Pandemie aufgenommen. Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass dieses Geld nicht gestrichen, sondern für die Bekämpfung der Langzeitfolgen genutzt wird! Ein Großteil der Betroffenen ist arbeitsunfähig (und das im eigentlich arbeitsfähigen Alter), der Fachkräftemangel dadurch weiter befeuert - von den psychosozialen Folgen, die so eine Krankheit mit sich bringt, ganz zu schweigen. Sie haben es in der Hand uns wieder gesund zu machen. Bitte setzen Sie sich für uns ein, die zu schwach und krank sind um sich für sich selbst einsetzen zu können. Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau F.,
vielen Dank für Ihren Vorschlag, die 60 Milliarden (nicht 600 Milliarden) aus dem Klima- und Transformationsfonds wieder für die Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie einzusetzen. Sie haben vollkommen recht, dass die Krankheiten Postcovid, ME/CFS und PostVac ein enormes Leid für die Betroffenen und ihre Familien und Freunde verursachen und dass sie gleichzeitig auch einen großen gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schaden anrichten. Deswegen hat die Bundesregierung ihre Anstrengungen zur Bekämpfung dieser Krankheiten verstärkt und auch der Haushaltsausschuss des Bundestags hat kürzlich im Rahmen der Verhandlungen in den Entwurf des Haushalts 2024 weitere Mittel eingestellt.
Leider jedoch ist es rechtlich nicht möglich, die 60 Milliarden Euro aus dem „Klimatopf“ wieder in den „Coronatopf“ zu stecken. Ich möchte Ihnen kurz erklären, warum das so ist. Im ursprünglichen Bundeshaushalt für das Jahr 2021 waren 180 Milliarden Euro an zusätzlichen „Kreditermächtigungen“ zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie vorgesehen. Kreditermächtigungen sind für die Bundesregierung die Erlaubnis, Schulden aufnehmen zu dürfen, wenn dies tatsächlich nötig wird, um die Ausgaben leisten zu können. Mit dem 1. Nachtragshaushalt 2021 wurden diese Kreditermächtigungen um 60 Milliarden Euro erhöht. Schließlich wurden diese 60 Milliarden 2021 aber nicht mehr ausgegeben und mittels des 2. Nachtrags für das Haushaltsjahr 2021 über das Jahr hinaus verlängert und in den „Klimatopf“, den Klima- und Transformationsfonds (KTF), umgewidmet. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich aber geurteilt, dass der 2. Nachtragshaushalt 2021 in dieser Form nie hätte beschlossen werden dürfen. Der gesamte 2. Nachtragshaushalt muss dadurch rückwirkend annulliert werden. Das heißt, er wurde für ungültig erklärt und rückgängig gemacht. Ohne den 2. Nachtragshaushalt 2021 hätten die 60 Milliarden an Kreditermächtigungen rechtlich aber nur bis zum 31. Dezember 2021 genutzt werden dürfen und stehen seitdem nicht mehr zur Verfügung. Die Erlaubnis, diese Schulden aufzunehmen, ist rückwirkend erloschen. Dadurch steht das Geld nicht mehr zur Verfügung.
Wie oben erwähnt, geben Bundestag und Bundesregierung aber trotzdem mehr Geld in die Erforschung und Bekämpfung der Langzeitfolgen von Corona. Es existieren heute schon zahlreiche Forschungstätigkeiten, Förderprojekte und Maßnahmen im Bereich Long-/Post-COVID und ME/CFS, finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Im Bundeshaushalt des BMBF für das Jahr 2024 sind 17,3 Mio. Euro für Sonder-Fördermaßnahmen im Bereich Long-/Post-COVID und ME/CFS eingestellt, die sich wie folgt aufteilen:
• Förderung von Forschungsvorhaben zu Spätsymptomen von COVID-19 (Long-COVID); Bekanntmachung von Mai 2021: 1,8 Mio. Euro: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/forderung-von-forschungsvorhaben-zu-spatsymptomen-von-covid-19-long-covid-14347.php
• Hybride Interaktionssysteme zur Aufrechterhaltung der Gesundheit auch in Ausnahmesituationen; Änderungsbekanntmachung von September 2022: 2,0 Mio. Euro: https://www.interaktive-technologien.de/foerderung/bekanntmachungen/his
• Förderung interdisziplinärer Verbünde zur Erforschung der Pathomechanismen von ME/CFS; Bekanntmachung von September 2023: bis 5 Mio. Euro: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/16423.php
• Förderung von neuen Ansätzen der Datenanalyse und des Datenteilens in der Long-/Post-COVID-19 Forschung; Bekanntmachung von September 2023: bis zu 2,5 Mio. Euro: https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/bekanntmachungen/de/2023/09/2023-09-07-Bekanntmachung-Long-COVID.html
• Nationalen Klinischen Studien-Gruppe (NKSG) Post-COVID-Syndrom und ME/CFS: 6 Mio. Euro: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/nationale-klinische-studien-gruppe-nksg-post-covid-syndrom-und-me-cfs-15737.php
Bei den Haushaltsverhandlungen haben wir kürzlich erreicht, dass weitere 8 Millionen Euro für die Jahre 2025 und 2026 zur Verfügung gestellt werden, damit die NKSG ihre allgemein als erfolgreich bewertete Arbeit weiterführen kann.
Darüber hinaus sind unabhängig von diesen Sonderförderungen nochmals weitere Mittel im Grundhaushalt des BMBF eingestellt:
• Zum einen wäre hier das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) mit dem Nationalen Pandemie Kohorten Netz (NAPKON) zu nennen. So wurde z.B. ein Post-COVID-Syndrom Score entwickelt, das bei der Diagnose, Schweregradeinteilung und Verlaufsbeurteilung der Erkrankung eingesetzt werden kann. Das BMBF fördert NAPKON bis Ende 2024 mit insgesamt 56 Millionen Euro. Auch andere Teilprojekte des NUM widmen sich verschiedenen Aspekten von Long- bzw. Post-COVID. So trägt zum Beispiel die Forschungsplattform coverCHILD dazu bei, die Spätfolgen von SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen zu charakterisieren.
• Zum anderen tragen die zum Großteil durch das BMBF finanzierten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) durch unterschiedliche Forschungsaktivitäten dazu bei, die Ursachen von Long-/Post-COVID besser zu verstehen, die Erkrankung präziser zu diagnostizieren und Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Auch in den außeruniversitären Forschungsinstituten der Gesundheitsforschung, die langfristig und zu großen Teilen durch das BMBF gefördert werden, widmen sich viele Projekte der Erforschung der Folgesymptome von COVID-19. Zu nennen ist zum Beispiel das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI).
Alle hier von mir genannten Förderpunkte hat das BMBF, inkl. weiterer Hintergrunddaten und den jeweiligen Fördersummen, auf nachfolgender Informationsseite transparent zusammengefasst und dargestellt: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/long-covid-post-covid-und-me-cfs-forschen-verstehen-besser-behandeln-14744.php (Die dortigen Informationen werden fortlaufend aktualisiert)
Außerdem gibt auch das Bundesministerium für Gesundheit Mittel zur Erforschung von Long-/Post-COVID und für Modellprojekte zur Patientenversorgung:
• Mit 52 Mio. Euro werden bis 2028 Modellmaßnahmen zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Long-Covid finanziert. Ziel dabei ist es, Versorgungsangebote für Kinder und Jugendliche zu erproben und zu entwickeln, deren vielfältige Symptome und Krankheitsbildern Long Covid zuzuordnen sind. Dabei sollen ganzheitliche, an das jeweilige Alter angepasste, familienorientierte Rehabilitations- oder ambulante Versorgungsmodelle im Vordergrund stehen, die auch die besonderen sozialen Strukturen von Kindern und Jugendliche sowie deren Bildungsbedarfe berücksichtigen. Wo es möglich ist, soll an Ergebnisse aus Modellvorhaben im stationären Bereich angeknüpft werden. Zudem sind Fortbildungsangebote, insbesondere für Kinder- und Jugendärzte, zu entwickeln und zu erproben sowie die Daten dieser Patientinnen und Patienten zu erheben, standardisieren und strukturieren und für die weitere Nutzung verfügbar zu machen.
• Für die Erforschung der Krankheit Long Covid gibt das Gesundheitsministerium zusätzliche 60 Mio. Euro von 2024 bis 2028.
• Mit 21 Mio. Euro werden bis 2028 mehrere Modellprojekte zur Patientenversorgung sowie die Forschung zur Versorgung bei zu Long-/Post-COVID finanziert.
• Zusätzliche 20 Mio. Euro werden laut Minister Lauterbach über den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für Projekte zu neuen Versorgungsformen und zur Versorgungsforschung bereitgestellt.
Es werden also auch so schon zahlreiche Forschungstätigkeiten, Förderprojekte und Maßnahmen im Bereich Long-/Post-COVID und ME/CFS, durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesministerium für Gesundheit finanziert. Ich selbst habe mich in den vergangenen Jahren mehrfach dafür eingesetzt, dass mehr Mittel für die Erforschung dieser Krankheiten bereitgestellt werden, und werde das Thema auch weiter kritisch im Blick behalten.
Ich wünsche Ihnen und allen Betroffenen, dass die Forschung zu ME/CFS bald größere Erfolge erzielt.
Herzliche Grüße
Wiebke Esdar