Was tut die Bundesregierung gegen Rechtsextreme?
Sehr geehrte Frau Esdar,
ich wende mich heute an Sie, da ich in Bielefeld lebe und den direkten Weg in den Bundestag suche.
Ich bin über den momentanen Zustand unseres Landes sehr erschüttert. Ich bin auch zornig und ich habe Angst. Ich bin zornig über die Rechten, Rechtsextremen, Antisemiten, Rassisten und Fremdenfeindlichen in Deutschland und zugleich habe ich Angst vor Ihnen, dass es noch viel viel mehr werden und dass Wahlen in den einzelnen Bundesländern es möglich machen, dass diese Leute an die Macht kommen und sich festsetzen, sich in Ämtern, Polizei und Gerichten breit machen und ein anderes Deutschland aufbauen.
Ich demonstriere, ich gehe wählen, ich engagiere mich, ich äußere meine Meinung und fühle mich trotzdem sehr hilflos.
Ich bitte Sie, nein, ich fordere Sie auf, sich innerhalb der Bundesregierung für eine andere Art des Regierens einzusetzen, die der Spaltung unserer Bevölkerung entgegen wirkt. Stoppen Sie die AfD.
Freundliche Grüße
Inga B.
Bielefeld
Sehr geehrte Frau B.,
vielen Dank, dass Sie sich mit dieser Sorge an mich wenden. Wir als Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag und ich persönlich teilen diese Sorgen, auch, weil wir eine sich immer schneller drehende Radikalisierungsspirale bei der AfD beobachten. Die Bundestagsfraktion und auch ich persönlich in Bielefeld engagieren uns aktiv gegen die AfD. In der Fraktion gibt es zum Beispiel eine Arbeitsgruppe „Strategien gegen Rechtsextremismus“. Ich selbst bin seit langem im Bielefelder Bündnis gegen Rechts sehr aktiv. Auch der Bielefelder SPD und der Stadtgesellschaft ist das Thema sehr wichtig. Gegen Antisemitismus findet regelmäßig, etwa alle 2 Woche am Freitagabend eine Mahnwache vor der jüdischen Synagoge statt - organisiert vom Bielefelder Bündnis gegen Rechts.
Wir stellen uns auch als SPD der AfD und ihrer Ideologie bei jeder Gelegenheit entgegen. Denn wir erkennen deutlich, dass die AfD eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt. Dies wird an einer Vielzahl von Äußerungen, auch von höchsten Vertreterinnen und Vertretern der Partei deutlich.
Zum einen wollen wir dem Rechtsextremismus in der Breite den Nährboden entziehen. Für Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist es seit ihrem Amtsantritt eines ihrer wichtigsten Ziele, dem Rechtsextremismus als der größten Bedrohung unserer Demokratie entschlossen entgegenzutreten. Bereits im März 2022 hat sie den „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus" vorgestellt, um die Aktivitäten der extremistischen Rechten ganzheitlich und frühzeitig zu bekämpfen. Den Aktionsplan können Sie hier komplett nachlesen: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2022/aktionsplan-rechtsextremismus.pdf?__blob=publicationFile&v=3
Zugleich reagieren wir auch auf neue Entwicklungen. Deswegen hat Nancy Faeser am 13. Februar zusammen mit den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamts ein weiteres, ergänzendes Paket aus repressiven und präventiven Maßnahmen zum Schutz der Demokratie und zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vorgeschlagen. Es gilt dabei rechtsextreme Netzwerke zu zerschlagen, deren Finanzquellen trockenzulegen, den Rechtsextremisten die Waffen zu entziehen sowie Hetzer und Gewalttäter mit allen Mitteln des Rechtsstaates in ihre Schranken zu verweisen. Eine Übersicht des Maßnahmenpakets mit dem Titel „Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – Instrumente der wehrhaften Demokratie nutzen“ können Sie hier nachlesen: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/02/massnahmen-gegen-rechtsextremismus.html
Das gesamte Maßnahmenpaket mit den Zielen und einzelnen Schritten finden sie hier: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/REX-entschlossen-bekaempfen.pdf?__blob=publicationFile&v=4
Zum anderen denken Sie bei Ihrer Frage, was die Bundesregierung gegen Rechtsextreme tut, vielleicht auch an ein Verbot der AfD. Gegen Verfassungsfeinde stellt das Grundgesetz mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Partei nach Artikel 21 Absatz 2 das schärfste Schwert unserer wehrhaften Demokratie bereit. Danach sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig.
Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei fest, ordnet es deren Auflösung an, verbietet die Gründung einer Ersatzorganisation und kann die Einziehung des Parteivermögens zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen (§ 46 Absatz 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Weiterhin verlieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, die dieser Partei angehören, nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 des Bundeswahlgesetzes ihr Mandat.
Aufgrund dieser drastischen Folgen sind die Anforderungen an das Verbot einer Partei in einer Demokratie, die maßgeblich durch den parteipolitischen Diskurs lebt, hoch. Eine Haltung, durch die oberste Verfassungswerte in der politischen Meinungsäußerung in Zweifel gezogen, nicht anerkannt, abgelehnt oder ihnen andere entgegengesetzt werden, genügt nicht. Eine Partei kann durch das Bundesverfassungsgericht nur dann verboten werden, wenn sie vielmehr planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen will. Dies setzt voraus, dass konkrete, gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann.
Wie in jedem anderen gerichtlichen Verfahren müssen in einem Parteiverbotsverfahren eindeutige Beweise vorgebracht werden. Die hohen Voraussetzungen für ein Parteiverbot stellen auch an diese Beweisführung erhebliche Ansprüche. Hierfür sind die Antragsberechtigten auch auf die Ermittlungen hierzu berufener staatlicher Institutionen angewiesen. Seinem gesetzlichen Auftrag entsprechend sammelt das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über Bestrebungen, die gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Aufgrund ihrer immer deutlicher zu Tage tretenden Haltung, wird auch die AfD als Gesamtpartei in diesem Sinne als Verdachtsfall geführt.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir so ein Verbotsverfahren gerade intensiv vorbereiten, das ist unser Ziel. Aber so ein Versuch muss dann auch gelingen. Gleichzeitig bin ich der Auffassung, dass ein langes Spekulieren darüber in den Medien uns nicht nur nicht hilft, sondern auch einen Bärendienst erweist: Weil es insbesondre dort, wo die AfD bereits heute eine hohe Zustimmung bekommt, zu Solidarisierungseffekten kommt.
Entscheidend ist darum zuallererst, dass rechtsextremes Gedankengut, das die AfD als Partei kanalisiert, nicht allein durch ein Parteiverbot zu bekämpfen ist. In der Tradition unserer langen Geschichte setzen wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für eine demokratische Streitkultur, die Entkräftung von Verschwörungstheorien und politische Bildung im Kampf gegen den Rechtsextremismus ein. Unser primäres Ziel muss es deshalb sein, die AfD politisch zu stellen, damit sie nicht mehr in unsere Parlamente gewählt wird. In diesem Sinne danke ich auch Ihnen ganz herzlich für Ihr Engagement, dass sie wählen, demonstrieren gehen und Ihre Meinung sagen. Das ist überaus wichtig und ein großer Beitrag im Kleinen.
Herzliche Grüße
Wiebke Esdar