Frage an Wiebke Esdar von Andreas R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Esdar,
die Neuregelung § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG muss in weniger als 3 Monaten in zahlreichen Institutionen und deren IT-Systemen umgesetzt sein, dabei sind wesentliche Punkte m.E. noch unklar.
So ist mir z.B. noch keine Auslegung durch das BMF bekannt. Dafür gibt es eine nachträgliche Studie vom wissenschaftlichen Dienst um die Verfassungsmäßigkeit zu untersuchen. Wird soetwas nicht vorher geprüft? Da ich auch auf meine Anfrage zu den Auswirkungen auf Steueraufkommen und Arbeitsplätze an den Finanzausschuss keine inhaltliche Antwort erhalten habe, muss ich leider annehmen, dass beides eben nicht vorher untersucht wurde.
Zusammen mit der Berichterstattung, dass nun Zertifikate und Optionsscheine von der Regelung ausgenommen sein sollen (was die Regelung m.E. vollends ad absurdum führt) ergibt sich damit aus meiner Sicht ein beschämendes Bild
1) Die Änderung richtet sich gegen Zockerei ohne diese näher zu definieren, macht aber auch sinnvolle Absicherungsgeschäfte teurer.
2) Ein Schaden für die Allgemeinheit ist m.E. nicht nachgewiesen und könnte im Gegenteil sogar erst entstehen (Steuerausfälle, Arbeitsplätze).
3) Die betroffenen Geschäfte und Produkte sind unscharf bzw. widersprüchlich definiert. Es gibt keine klare Anwendungsvorschrift.
4) Änderungen an IT-Systemen verursachen erhebliche Kosten bzw. sind aufgrund von Unsicherheiten quasi unmöglich bzw. riskant.
5) Die Regelung selbst ist m.E. fragwürdig (Steuer in Abhängigkeit der Saldo-Zusammensetzung) und potentiell verfassungswidrig (Leistungsprinzip, Nettoprinzip).
6) Statt sinnvolles Verhalten gezielt zu fördern, wird vermeintlich schädliches Verhalten pauschal bestraft.
7) Der Steuerverwaltungsaufwand für Finanzämter, Banken und Bürger steigt.
8) Drohende Klagen verlängern die o.g. Unsicherheit.
Insgesamt m.E. genug Gründe, um eine Rücknahme oder Änderung vorzunehmen bevor es zu spät ist. Sehen Sie dies anders und wenn ja, mit welcher Begründung?
Mit freundlichen Grüßen
A. Rau
Sehr geehrter Herr Rau,
vielen Dank für Ihre erneute Frage zum Thema Verlustabzugsbeschränkung bei Termingeschäften.
Meine Position zum Thema, die sich zwischenzeitlich nicht geändert hat, habe ich Ihnen bereits in meiner Antwort am 9. Juli 2020 mitgeteilt: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/wiebke-esdar/fragen-antworten/514794
Mein geschätzter Kollege Lothar Binding, mit dem sie ja auch bereits Kontakt hatten, hat auf seinem Abgeordnetenwatch-Profil zahlreiche weitere Einschätzungen zur Sache geliefert, insbesondere auch zur Verfassungsmäßigkeit. Schauen Sie also gerne noch einmal bei ihm vorbei. https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/lothar-binding
Freundliche Grüße
Wiebke Esdar