Frage an Wiebke Esdar von Nico A. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Esdar,
wie ist Ihre aktuelle Haltung zur Aufnahme von Geflüchteten aus Moria und inwiefern hat sich Ihre Haltung verändert nachdem Sie an besagter Abstimmung vom 4.3.2020 im Bundestag nicht teigenommen haben?
Mit freundlichen Grüßen,
Nico Albersmann
Lieber Herr Albersmann,
an der Abstimmung im März konnte ich aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen, das bedaure ich. Meine Position zu der Situation der geflüchteten Menschen in Moria hat sich seitdem nicht verändert. Gerne möchte ich sie Ihnen im Folgenden darlegen:
Ich sage Ihnen offen, dass wir als SPD gerade bei der Geflüchtetenfrage Licht und Schatten einer Koalition erleben. Denn meine Haltung und die der SPD ist klar: Deutschland kann helfen und Deutschland muss helfen. Allein bei der Katastrophe von Moria wollen wir, dass Deutschland eine hohe vierstellige Zahl an Geflüchteten aufnimmt. Insofern ist es gut, dass wir Frau Merkel und Herrn Seehofer zu ersten Zugeständnissen bewegen konnten: Deutschland wird knapp 1.600 Menschen aus Griechenland aufnehmen. Dabei handelt es sich um unbegleitete Geflüchtete sowie Familien mit Kindern. Das ist das, was wir auf die Schnelle erreichen konnten, um viele Menschen aus ihrem Elend zu befreien; und das wäre nicht gelungen, wenn die SPD in der Koalition nicht entschieden Druck auf die CDU/CSU ausüben würde.
Trotzdem ist mir das zu wenig. Denn auf der anderen Seite steht für uns fest, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Wir wollen, dass all diejenigen Bundesländer und Kommunen mehr Geflüchtete aufnehmen dürfen sollten, die das wollen. Davon gibt es viele, auch Bielefeld gehört dazu. Das muss aber Bundesinnenminister Horst Seehofer zulassen und daher soll er endlich seine Blockadehaltung aufgeben. Das ist aber der Nachteil einer Koalition: denn wir müssen uns - im Gegensatz zur Opposition - mit unserem Koalitionspartner einigen. Das heißt, wir gehen Kompromisse ein, um überhaupt etwas zu bewegen, können. Dafür können wir unsere Forderungen aber nicht zu einhundert Prozent durchsetzen.
Dabei lassen sich die Fakten ja nicht wegreden: die Lage in Moria und ganz Griechenland ist dramatisch. So war die Situation der Menschen auf der griechischen Insel Lesbos schon seit mehreren Monaten unzumutbar und es herrschten katastrophale Zustände. Deutschland hätte bis dato auf mehr tun müssen und können. Dies steht für mich nicht erst seit den erschreckenden Bildern des brennenden Lagers auf Lesbos fest.
Dazu üben wir als SPD schon seit Monaten Druck auf unseren Koalitionspartner CDU/CSU aus. Allerdings haben wir bis zum Brand von Moria erlebt, dass die CDU/CSU das partout nicht wollte: jeden Menschen mehr, den wir aus Griechenland aufnehmen wollten, mussten wir der Frau Merkel, Herrn Seehofer und der CDU/CSU-Fraktion mühsam abverhandeln. Daher habe ich auch gemeinsam mit vielen anderen SPD-Abgeordneten einen Brief an Kanzlerin Angela Merkel verschickt. Denn so, wie die Situation in Griechenland ist, wollen und können wir das nicht hinnehmen.
Auch der SPD-Parteivorstand hat zur Geflüchtetenpolitik nochmal seine Entschlossenheit bekräftigt. So wollen wir nicht nur, dass Deutschland mehr Menschen aufnimmt. Vielmehr wollen wir auch die griechischen Behörden von Ort unterstützen, um die Versorgung der Menschen sichern. Auch setzen wir uns mit diesem Beschluss nachdrücklich für eine gemeinsame europäische Asylpolitik ein, um Geflüchtete in Griechenland in Sicherheit zu bringen:https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Parteispitze/20200914_Resolution_Moria.pdf.
Jetzt nach den Bränden in Moria 12.000 Menschen in einem Staatenverbund mit 450 Millionen Menschen menschenwürdig unterzubringen: mir kann niemand erklären, dass das die Europäische Union nicht hinbekommen kann. Wir sind ein reicher Kontinent und dürfen nicht zusehen, dass Menschen an unseren Grenzen sterben.
Herzliche Grüße
Ihre Wiebke Esdar