Wie sehen sie das Thema Fraktionszwang und ist Fraktionszwang Demokratisch?
Sehr geehrte Frau Brems,
In der Realpolitik ist Fraktionszwang fest verankert. Ich Frage mich warum sollte man dann noch selber in die Politik gehen? Was bringt es mir wenn ich meine Meinung in mein abstimmverhalten nicht wiederspiegeln darf. Innerhalb einer Fraktion wird nicht unbedingt gestritten.
Als Beispiel wurde Hartz4 von der SPD beschlossen obwohl damals alle Abgeordneten dagegen waren. Gerhard Schröder hat die Abgeordneten dazu gezwungen weil er sonst die Koalition aufgelöst hätte. Das passiert nicht nur auf Bundes Ebene. In Hamburg ist ihre Kollegin Miriam Block wegen Fraktionszwang ihren Ämtern entrissen worden.
Ich würde gerne ihre Meinung zum Thema Fraktionszwang wissen und auch ihre Einschätzung wie demokratisch Fraktionszwang ist.
Sehr geehrter Herr P.,
unsere parlamentarische Demokratie basiert darauf, Mehrheiten für Entscheidungen zu finden.
In einer Koalition wird bei Verhandlungen an guten, gemeinsamen Lösungen für das Land gearbeitet. Dass dabei nicht jeder zu 100% seine Vorstellungen durchsetzen kann, liegt nahe. Ein wichtiger Grundpfeiler ist dabei das gegenseitige Vertrauen, sich auf die Koalitionspartner und das Vereinbarte verlassen zu können. Auch Politik ist Teamarbeit und wie in jedem anderen Team werden Kompromisse geschlossen, um voranzukommen.
Ich habe in meinen 13 Jahren als Abgeordnete und mittlerweile 8 Jahren in unterschiedlichen Regierungskonstellationen (zunächst in einer rot-grünen Minderheitsregierung, danach in einer rot-grünen Regierung und aktuell in einer schwarz-grünen Regierung) das geschlossene Abstimmen in der Fraktion nie als Zwang empfunden, auch wenn mir manche Entscheidung nicht leicht gefallen ist. Denn ich weiß: Nur wenn wir als Fraktion, als Team geschlossen zusammen stehen, sind wir stark.
Ich hoffe, meine Einblicke können Ihr Bild von Politik ein wenig verbessern.
Viele Grüße
Wibke Brems