Wibke Brems steht mit verschränkten Armen vor einem Solarmodul.
Wibke Brems
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Wibke Brems von Gerhard R. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Brems,

im Bayerischen Rundfunk(Auszug) wurde über die Sorgen der Eltern wegen der unseriösen Bundeswehrwerbung in Schulen berichtet. Kann man jetzt noch ernsthaft bestreiten, daß die Unerfahrenheit der jungen Menschen systematisch von den Jugendoffizierer/innen ausgenutzt wird?

"Hauptmann Christina Paukner informiert eine Schülergruppe der Hauptschule am Lodererplatz in Erding über die Aufgaben der Bundeswehr. Die 21 Buben und fünf Mädchen der achten und neunten Klassen erfahren, wie die Bundeswehr strukturiert ist, was sich seit dem Fall der Mauer in der Welt verändert hat, und sie sehen Bilder von dem Panzer, auf dem die Jugendoffizierin ihre Ausbildung absolviert hat.
Gleich zu Beginn zeigt die uniformierte Jugendoffizierin einen dreiminütigen Werbefilm. Er vermittelt Freiheit, Abenteuer, Kameradschaft und Begeisterung für Waffen und Technik: Da fliegen Jagdbomber in Formation wie bei Top Gun, fesche Matrosen klettern flink in die Wanten eines Segelschiffs, Panzer wühlen sich spektakulär durchs Gelände. Dazu erklingt eine Musik, die eher an einen Actionfilm erinnert oder an Zigarettenwerbung. Nicht zu sehen sind Soldaten, die verwundet sind oder bis zum Heulkrampf erschöpft, auch die Opfer der Gegner kommen nicht ins Bild.
Ursula Walther vom Bayerischen Elternverband ist davon überzeugt, dass die Bundeswehr hier für sich werben will. Schließlich registriert Walther mehr Schulbesuche der Jugendoffiziere, seit die Wehrpflicht weggefallen ist. Die Sprecherin des Elternverbandes fordert deshalb, dass Eltern ihre Kinder leichter von den Veranstaltungen der Bundeswehr in der Schule befreien können."

Fahrtkostenerstattungen an zivile Referenten(berufstätig!) beseitigen in NRW das Problem nicht.
Hilft jetzt nur noch ein Strafantrag gegen die Verantwortlichen wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb(§ 4 Nr. 2)?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

Wibke Brems steht mit verschränkten Armen vor einem Solarmodul.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reth,

Ihre Frage zielt auf die Abgabe einer juristischen Einschätzung durch mich.
Dies kann ich nicht leisten. Aber da ich als Hintergrund Ihrer Frage Ihre Verärgerung über die Praxis der Schulbesuche durch spezielle "Jugendoffiziere" der Bundeswehr sehe, kann ich Ihnen allerdings durchaus antworten.

Wir GRÜNE haben eine deutliche Position zu dieser Praxis formuliert. Um es kurz zusammen zu fassen: Wir lehnen eine einseitige Darstellung des Militärdienstes an Schulen durch die Bundeswehr ab und wollen die Friedenserziehung weiter stärken.
Hintergrund des Problems ist der Rahmenvertrag zwischen der Bundeswehr und dem Land NRW. Der Abschluss der Kooperationsvereinbarung unter der schwarz-gelben Landesregierung 2008 wurde von den Grünen kritisiert, weil hier einer einseitigen Auseinandersetzung mit Friedensfragen Vorschub geleistet wurde. Eine Kleine Anfrage der Grünen machte deutlich, dass die damalige Landesregierung sich nicht in der Pflicht sah, auf die Ausgewogenheit gemäß des Beutelsbacher Konsenses zu achten und sicherzustellen, dass der Auftritt der Bundeswehr in der Schule keine Werbung für die Bundeswehr darstellen darf.
In einer Anhörung des Landtags 2011 wurde dann auch bestätigt, dass die bestehende Kooperationsvereinbarung, allein auf die Bundeswehr ausgelegt, unzureichend ist. Der Bundeswehr als einer in der Verfassung verankerten Organisation kann zwar nicht der Zugang zur Schule für Diskussionen verwehrt werden. Aber es kann dafür gesorgt werden, dass eine Ausgewogenheit in der Darstellung und Diskussion gewährleistet wird.
Grundsätzlich gilt, dass die politische Bildung – auch in Fragen der Sicherheitspolitik - in die Hand der dafür ausgebildeten pädagogischen Fachleute und nicht in die von Jugendoffizieren gehört. Keine Schülerin und kein Schüler darf zur Teilnahme und Durchführung einer Veranstaltung mit Bundeswehrangehörigen gezwungen werden.
Ethisch-moralische Fragen, die Konfrontation mit Verletzungen, Tod und Töten und die Frage, wie die Bundeswehr mit der großen Zahl von SoldatInnen umgeht, die traumatisiert aus dem Einsatz kommen, und wie sie diese Entwicklung bewertet, dürfen nicht aus einer bestimmten Perspektive beantwortet werden. Das Schulministerium hat im Anschluss an die Anhörung in einem Erlass an alle Schulen klargestellt, dass bei der Behandlung von Friedens- und Sicherheitspolitik die dem Beutelsbacher Konsens entsprechende Ausgewogenheit sichergestellt werden muss.
Das bedeutet: Jugendoffiziere der Bundeswehr sind nur dann einzuladen, wenn die notwendige politische Ausgewogenheit gewährleistet ist. Die unterschiedlichen friedenspolitischen Konzepte, die Kontroversen über die verfassungsmäßige Funktion der Bundeswehr (von der Landesverteidigung zur Interventionsarmee), die Möglichkeit ziviler Dienste sowie die verschiedenen Konzepte der internationalen Friedenspolitik müssen in gleicher Gewichtung dargestellt werden. Das Neutralitätsgebot muss auch für die Lehrerausbildung gelten.
Deshalb muss auch Organisationen der Friedensbewegung die Möglichkeit zur Darstellung ihrer Position im Unterricht gegeben werden. Um den Schulen diese Organisation zu erleichtern und den meist ehrenamtlichen VertreterInnen der Friedensorganisationen die Teilnahme zu erleichtern, hat der Landtag Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, mit denen ReferentInnen eine Aufwandsentschädigungen und Fahrtkostenerstattungen erhalten können.
Außerdem hat das Schulministerium Verhandlungen mit der Bundeswehr aufgenommen mit dem Ziel, die Kooperationsvereinbarung dahingehend zu verändern, dass die Bundeswehr sich auch selbst verpflichtet, nur dann in Schulen präsent zu sein, wenn sichergestellt ist, dass gleichzeitig auch VertreterInnen von Friedensorganisationen beteiligt sind. Das gilt auch für die Lehrerausbildung.
Eine Werbung in der Schule ist durch den Beutelsbacher Konsens eindeutig untersagt. Darauf hat die neue Landesregierung unmissverständlich hingewiesen. Eine Untersagung der Werbung der Bundeswehr im öffentlichen Raum ist nicht möglich und unseres Erachtens auch nicht sinnvoll. Wir wollen nicht, dass die Bundeswehr sich aus Hinterzimmern rekrutiert. Wir wollen die öffentliche und kritische Diskussion unterstützen.

Langfristig fordern wir jedoch, dass der Kooperationsvertrag zwischen Bundeswehr und dem Land NRW aufgekündigt wird. Gleichzeitig muss jetzt dafür Sorge getragen werden, dass die Möglichkeit zu einer kompletten Ablehnung eines Bundeswehrbesuchs an einer Schule intensiver an die Schulkonferenzen kommuniziert wird.

In den letzten knapp zwei Jahren hat sich gezeigt, dass sich die SPD in schul- und bildungspolitischen Fragen auf unsere GRÜNE Kompetenz verlässt.
Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass wir die in dieser Antwort aufgezeigten Lösungen in der kommenden Legislaturperiode umsetzen können und somit eine einseitige Selbstdarstellung der Bundeswehr an Schulen in NRW zukünftig nicht mehr möglich sein wird.

Mit freundlichen Grüßen und herzlichem Dank für Ihre Frage

Dipl.-Ing. (FH) Wibke Brems
Ehem. Sprecherin für Energiepolitik und Klimaschutz

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